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Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut

Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut

Titel: Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut
Autoren: Rebecca Gabl
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dass Gott uns Prüfungen schickt, um uns demütig zu machen, nicht wahr?“
    Ein unheimliches Gefühl beschlich Robin. Er hatte den Verdacht, dass sie sich dem eigentlichen Gegenstand der Unterhaltung näherten und dass es sich um eine viel ernstere Sache als Verstöße gegen die Klosterregel handelte. Er nickte argwöhnisch.
    Der alte Mönch betrachtete den blonden Knaben ihm gegenüber, dessen dunkelblaue Augen ihn so durchdringend ansahen. Der junge Waringham war mager und groß, fast schon ein Mann, aber das Gesicht mit dem vollen Mund, der schmalen Nase und den Sommersprossen war das eines echten Lausebengels. Der Abt empfand tiefes Mitleid für dieses verlorene Lamm und bat Gott, er möge ihm die richtigen Worte schicken, um dem Jungen die furchtbaren Nachrichten so schonend wie möglich beizubringen.
    Er stand auf und trat an das kleine Fenster neben der Tür, wandte Robin wieder das Gesicht zu und ließ sich von der Sonne den schmerzenden Rücken wärmen. „Du bist ein guter Schüler, Waringham. Ich weiß, dass du dich nur mühsam in unsere harte Disziplin einfügst, aber du hast einen wachen Verstand. In Latein hast du Bruder Anthony bald übertroffen – sehr zu dessen Verdruss –, und wie ich höre, machst du in allen Fächern des Trivium gute Fortschritte und schreibst sogar recht ordentlich. Unser Orden braucht Leute wie dich. Ich bin sicher, du könntest mit der Zeit dein Wesen zügeln, aus deinen Wildheiten wirst du herauswachsen. Du könntest lernen, dass ein Leben für Gott das einzige wahre Glück bedeutet.“
    Robin hörte höflich, wenn auch ein bisschen ungeduldig zu. Er teilte Vater Jeromes Zuversicht hinsichtlich seiner Läuterung nicht.
    Der Abt unterbrach sich, als er spürte, dass er die Aufmerksamkeit des Jungen verlor. „Mein Sohn, ich habe schlechte Neuigkeiten. Aber bevor ich dir sage, was geschehen ist, sollst du wissen, dass du hierbleiben kannst. Ich würde dafür sorgen, dass du hier aufgenommen wirst. Ich meine kostenlos, Robert, verstehst du?“
    Robin sah ihn mit bangen Augen an. „Danke, Vater. Aber selbst wenn ich wollte, mein Vater würde es niemals erlauben …“
    Sein Mund wurde mit einem Mal staubtrocken, als er den Abt ansah, und er wusste plötzlich genau, was kommen würde.
    Jerome faltete die Hände und nickte betrübt. „Dein Vater ist tot, Robert.“
    Robin blinzelte und versuchte zu schlucken. Es ging nicht. Er schluckte nur Luft, und sein Adamsapfel klickte trocken. Er hielt den Kopf gesenkt und starrte blind auf seine Hände.
    Es war eine lange Zeit still. Schließlich spürte er eine Hand auf dem Kopf, und der Abt murmelte: „Es tut mir leid, mein Sohn.“
    Der Junge rührte sich nicht. Du hast immer gewusst, dass es jederzeit passieren konnte, dachte er dumpf. Jetzt ist es passiert. Dir selbst wird es eines Tages vielleicht genauso gehen. So war das eben; er war ein Ritter seines Königs, und der König befand sich im Krieg. Der Krieg forderte Opfer. Robin hatte das immer verstanden. Es hatte ihn nie geschreckt. Und er hatte seinen Vater nie wirklich gekannt. Es war nicht so, als risse der Verlust eine Lücke in sein Leben. Als Robin geboren wurde, war der Krieg schon über zehn Jahre alt. Sein Vater war kaum je daheim gewesen; es war immer seine Mutter, die das Gut verwaltete und anstelle ihres Mannes die Entscheidungen traf. Aber Robin trauerte trotzdem um die stattliche Erscheinung in der schweren, teuer erkauften Rüstung. Er erinnerte sich gut an die wenigen Mußestunden, die sie zusammen verbracht hatten. Er war es gewohnt, sich daran zu erinnern; es war alles, was er von seinem Vater hatte. Er hatte die Erinnerungen gepflegt wie kostbare Kleinodien. An den Abend, zum Beispiel, als sein Vater ihm und seinen beiden Brüdern von der Belagerung von Calais erzählt hatte. Am nächsten Tag waren sie zusammen auf die Jagd geritten, und sein Vater und sein großer Bruder Guillaume hatten einen riesigen, wirklich furchteinflößenden Keiler erlegt im Wald von Waringham. Und seine Mutter hatte geschimpft, als sie abends heimkamen, weil sie eine Jagd für einen kleinen Jungen wie Robin zu gefährlich fand. Er und sein Vater und sein Bruder hatten mit betretenen Gesichtern ihren Vorhaltungen gelauscht und sich hinter ihrem Rücken verstohlen angegrinst …
    Die Erinnerung erschien ihm auf einmal fahl und lückenhaft, und er hatte einen dicken Kloß in der Kehle. Er versuchte, an etwas anderes zu denken, und dann riss er plötzlich erstaunt die Augen auf.
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