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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth
Autoren: Martin Cruz Smith
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Federn. Das Lenkrad scheint geschmolzen zu sein.«
    »Fleisch ist zäher als Plastik«, sagte Polina.
    »Die hinteren Gummifußmatten geschmolzen. Rundum Glassplitter. Auch die Rücksitze bis auf Federn niedergebrannt. Eine verkohlte Computerbatterie und Reste eines nicht eisenhaltigen Metalls. Goldspuren, wahrscheinlich von Leiterelementen.« Das war alles, was von Rudis Liebling übriggeblieben war. »Metallbehälter mit Computerdisketten.« Megabytes gespeicherter Informationen. »Mit Asche bedeckt.« Karteikästen.
    Widerwillig nahm Arkadi nun den vorderen Teil in Augenschein. »Hinweise auf eine Explosion am Kupplungspedal. Verkohltes Leder. Plastikrückstände im Armaturenbrettbereich.«
    »Natürlich. Die Hitze war gewaltig.« Polina beugte sich vor, um eine weitere Aufnahme mit ihrer Leica zu machen. »Mindestens tausend Grad.«
    »Auf dem Vordersitz«, sagte Arkadi, »eine Geldkassette. Ohne Inhalt, verkohlt. Auf dem Boden, unter dem Einsatz, kleine Metallkontakte, vier Batterien, vielleicht Überreste eines Senders und eines Tonbandgeräts. Soweit nach erstem Augenschein. Auf dem Sitz befindet sich außerdem ein rechteckiges Metallstück, vielleicht die Rückseite eines Taschenrechners. Zündschlüssel auf >Aus< gestellt. Zwei weitere Schlüssel am Ring.«
    Was ihn auf den Fahrer brachte. Arkadi widerstand der Versuchung, sich eine Zigarette anzuzünden.
    »Bei Verbrannten muß man mit weit geöffneter Blende arbeiten, um Einzelheiten festzuhalten«, sagte Polina.
    Einzelheiten? »Der Körper ist zusammengeschrumpft«, sagte Arkadi. »Zu verkohlt, um ihn auf Anhieb als männlich oder weiblich, als Kind oder Erwachsenen zu identifizieren. Der Kopf ruht auf der linken Schulter. Kleider und Haare sind verbrannt, Teile der Schädeldecke sichtbar. Die Zähne scheinen für einen Abdruck nicht mehr geeignet zu sein. Keine erkennbaren Schuhe oder Socken.«
    Aber das alles beschrieb nicht wirklich den neuen, kleineren, schwärzeren Rudi Rosen, der da auf den luftigen Federn seines verglühten Wagens saß, brachte seine Verwandlung in Teer und Knochen kaum zum Ausdruck, die Nacktheit des Gürtelschlosses, das hing, wo sich einmal die Hüfte befunden hatte, den verwunderten Blick der leeren Augenhöhlen und das geschmolzene Gold der Zahnfüllungen, die Art, wie die rechte Hand nach dem Steuerrad zu greifen schien, als sei die Hölle zu durchqueren, und die Tatsache, daß eben dieses Steuerrad wie Karamel zerschmolzen war. Und es vermittelte auch keinen Eindruck von der geheimnisvollen Art, in der Starka- und kubanische Wodkaflaschen sich verflüssigt und harte Münzen und Zigaretten sich in Nichts aufgelöst hatten.
    »Jeder braucht mich.« Jetzt nicht mehr.
    Arkadi wandte sich ab und sah, daß auf Minins Gesicht nichts anderes zu lesen war als Befriedigung, als hätte dieser verkohlte Sünder in seinem Wagen noch nicht genug gelitten. Arkadi zog Minin beiseite und wies ihn auf einige Männer des Suchtrupps hin, die sich die Taschen vollstopften. Der Boden war übersät mit Gegenständen, die bei der panischen Flucht zurückgelassen worden waren. »Ich habe ihnen befohlen, alles, was sie finden, zu identifizieren und zu registrieren.«
    »Aber sie sollen es nicht behalten, oder?«
    Minin atmete tief ein. »Nein.«
    »Sehen Sie sich das an.« Polina sondierte eine Ecke des Rücksitzes mit ihrer Haarnadel. »Getrocknetes Blut.«
    Arkadi ging hinüber zum Schiguli. Jaak saß auf dem Rücksitz und verhörte ihren einzigen Zeugen, denselben unglücklichen Mann, den Arkadi getroffen hatte, als er darauf wartete, mit Rudi zu sprechen. Den Straßenräuber mit den vielen Zlotys. Jaak hatte ihn erwischt, als er über den Zaun klettern wollte.
    Nach seinen Papieren war Gari Oberljan Moskowiter, arbeitete als Pfleger in einem Krankenhaus und hatte gemäß seinen Zuteilungsscheinen Anrecht auf ein neues Paar Schuhe.
    »Willst du seinen Ausweis sehen?« sagte Jaak. Er schob Garis Ärmel zurück. Auf der Innenseite des linken Unterarms war das Bild einer nackten Frau eintätowiert, die in einem Weinglas saß und ein Herz-As in der Hand hielt. »Er liebt Wein, Frauen und Karten«, sagte Jaak. Auf dem rechten Unterarm bildeten Herz, Pik, Kreuz und Karo ein Armband. »Vor allem Karten.« Auf dem linken kleinen Finger ein Ring aus umgekehrten Piks. »Wegen Rowdytum verurteilt.« Auf dem rechten Ringfinger ein von einem Messer durchbohrtes Herz.
    »Und bereit zu töten. Sagen wir also, daß Gari nicht unbedingt ein Unschuldslamm ist.
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