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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth
Autoren: Martin Cruz Smith
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Feuers, das die Leute an Winterabenden in Ölfässern entzündeten, um sich die Hände zu wärmen. Kleine Sterne tanzten in der Luft. In den scharfen Geruch nach verbranntem Plastik mischte sich der berauschende Duft brennenden Benzins.
    Einige Männer taumelten zurück, ihre Mäntel hatten Feuer gefangen. Während die Menge zurückwich und Arkadi sich weiter vorarbeitete, sah er Rudi Rosen auf einem glühenden Thron sitzen, kerzengerade, mit schwarzem Gesicht und brennendem Haar, die Hände am Steuer, erhaben in seiner eigenen Glut, gleichzeitig aber bewegungslos in den dichten, giftigen Rauchwolken, die aus den leeren Fenstern des Wagens schlugen. Arkadi näherte sich so weit, daß er durch die Windschutzscheibe in Rudis Augen sehen konnte. Rudi war tot. Inmitten der Flammen sein stummer, erloschener Blick.
    Rund um den brennenden Audi setzten sich die anderen Wagen in Bewegung, Teppiche hinter sich herschleifend, über Goldmünzen und Videorecorder hinwegrollend - eine dem Ausgang zuströmende Massenflucht. Auch der Krankenwagen rumpelte davon, pflügte über eine Gestalt, die im Licht seiner Scheinwerfer aufgetaucht war, hinter ihm die Wagenkolonne der Tschetschenen. Die Motorradfahrer teilten sich in mehrere Ströme und suchten nach Lücken in dem Zaun, der das Gelände umgab.
    Einige Leute aber blieben zurück und versuchten, die Sterne zu fangen, die auf sie niederregneten. Arkadi selbst pflückte eine brennende Deutsche Mark vom Himmel, einen Dollar, einen Franc - alle wie frisch von einer feurigen Münze geprägt.
     
    Im Licht des anbrechenden Morgens konnte Arkadi erkennen, daß auf dem Gelände vier zwanzig Stockwerke hohe Türme rund um einen Mittelhof aufragten - drei der Gebäude bereits mit Fassaden aus Betonfertigteilen versehen, das vierte noch in skelettartigem Zustand. Stahlträger und Baukräne muteten im Zwielicht zugleich gewaltig und zerbrechlich an. Zu ebener Erde, dachte Arkadi, würden wohl Restaurants, Kneipen und vielleicht ein Kino entstehen und in der Mitte des Geländes, wenn die Raupen und Zementmischer einmal verschwunden waren, Stellplätze für Personenwagen und Taxis. Im Moment aber standen dort noch ein Kastenwagen der Spurensicherung, der Schiguli und Rudi Rosens ausgeglühter und von Glassplittern übersäter Audi. Die Fenster des Wagens waren weggeplatzt, und die Hitze hatte auch die Reifen explodieren lassen, die anschließend verbrannt waren. Der Geruch nach verbranntem Gummi war immer noch allgegenwärtig. Ganz so, als lauschte er auf etwas, saß Rudi Rosen aufrecht hinter der zerborstenen Windschutzscheibe.
    »Die Glassplitter scheinen sich gleichmäßig verteilt zu haben«, sagte Arkadi. Polina folgte ihm und machte bei jedem zweiten Schritt ein Bild mit ihrer Vorkriegs-Leica. »In unmittelbarer Nähe des Wagens, eines viertürigen Audi, ist das Glas geschmolzen. Die Türen links geschlossen, ebenso die Motorhaube, die Scheinwerfer ausgebrannt. Die rechten Türen und der Kofferraum geschlossen, die Rücklichter ausgebrannt.« Es blieb nichts anderes übrig, als sich auf Hände und Knie niederzulassen. »Der Benzintank ist explodiert, der Auspufftopf vom Rohr gerissen.« Er stand auf. »Das Nummernschild ist schwarz, aber die Moskauer Nummer ist noch lesbar und weist den Wagen als Eigentum von Rudik Rosen aus. Nach der gleichmäßigen Verbreitung der Glassplitter zu urteilen, scheint das Feuer im Wagen selbst, nicht außerhalb, ausgebrochen zu sein.«
    »Wobei der Expertenbericht natürlich noch aussteht«, sagte Polina, um ihrem Ruf allgemeiner Respektlosigkeit gerecht zu werden. Jung und zierlich, trug die Pathologin sommers und winters denselben Mantel und das gleiche süffisante Lächeln zur Schau. Ihr Haar war hoch aufgetürmt und mit Nadeln gespickt. »Sie sollten den Wagen auf eine Bühne heben lassen.«
    Arkadis Kommentare wurden von Minin niedergeschrieben, einem Beamten mit den tiefliegenden Augen eines Fanatikers. Hinter Minin streifte ein Milizkordon über das Gelände. Spürhunde zogen ihre Halter um die Neubauten, rannten von einem Pfeiler zum nächsten, um ihr Bein zu heben.
    »Lackierung abgeblättert«, fuhr Arkadi fort. »Chrom am Türgriff ebenfalls.« Wohl keine Fingerabdrücke mehr, dachte er. Dennoch wickelte er sich ein Taschentuch um die Hand, bevor er die Beifahrertür öffnete.
    »Danke«, sagte Polina.
    Schon bei der ersten Berührung schwang die Tür auf.
    »Das Wageninnere ist ausgebrannt«, fuhr Arkadi fort, »die Sitze bis auf Rahmen und
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