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Das krumme Haus

Das krumme Haus

Titel: Das krumme Haus
Autoren: Agatha Christie
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dieselbe Richtung.
    »Ich weiß nicht, was wir ohne unsere alte Nannie anfangen würden«, sagte sie. »Treu und fleißig. Ich habe sie vor vielen Jahren selbst angestellt.« Sie blieb stehen und zerrte wütend an einem Zweig. »Widerliches Zeug – Winden! Das schlimmste Unkraut, das es gibt! Umwickelt und erstickt alles. Und man kann es nicht richtig ausrotten, weil es sich unter der Erde verbreitet.« Mit dem Absatz zerdrückte sie zornig das Grünzeug. »Eine böse Sache, Charles Hayward«, sagte sie und blickte zum Haus hinüber. »Was hält die Polizei davon? Wahrscheinlich darf ich Sie das nicht fragen. Kommt mir seltsam vor, dass Aristide vergiftet worden sein soll. Überhaupt seltsam, dass er tot ist. Ich mochte ihn nie – nie! Aber ich kann mich nicht daran gewöhnen, dass er tot ist… Das Haus ist ohne ihn so leer.«
    Ich sagte nichts. Trotz ihrer sachlich knappen Ausdrucksweise schien Edith de Haviland Erinnerungen nachzuhängen.
    »Über vierzig Jahre lebe ich jetzt schon hier. Kam her, als meine Schwester starb. Er bat mich darum. Acht Kinder und das jüngste erst ein Jahr alt. Ich konnte sie doch nicht mit einem Halbwilden allein lassen, nicht wahr? Natürlich eine unmögliche Heirat. Ich dachte immer, er müsste Marcia verhext haben. Ein hässlicher, ordinärer Ausländer! Er ließ mir freie Hand, das muss ich zugeben. Kindermädchen, Erzieherinnen, Schulfragen. Und richtige gesunde Kindernahrung, nicht die scharf gewürzten Reisgerichte, die er immer aß.«
    »Und seitdem sind Sie hier geblieben?«, murmelte ich.
    »Ja. Eigentlich sonderbar. Ich hätte ja fortgehen können, als die Kinder erwachsen waren und heirateten… Ich glaube, der Garten hielt mich. Und dann Philip. Wenn ein Mann eine Schauspielerin heiratet, kann er kein Familienleben erwarten. Weiß nicht, warum Schauspielerinnen überhaupt Kinder haben. Sobald das Kind geboren ist, laufen sie davon und spielen an einem möglichst entfernten Ort Theater. Philip tat das einzig Vernünftige – zog mit seinen Büchern hierher.«
    »Was tut denn Philip Leonides?«
    »Schreibt Bücher. Weiß nicht, warum. Kein Mensch liest sie. Über lauter dunkle geschichtliche Einzelheiten. Sie haben wohl nie davon gehört?«
    Ich musste es zugeben.
    »Er hat eben zu viel Geld«, erklärte sie. »Die meisten Menschen müssen derartigen Unsinn aufgeben und den Lebensunterhalt verdienen.«
    »Werden die Bücher nicht gekauft?«
    »I wo. Er soll in Bezug auf gewisse historische Perioden eine Kapazität sein. Aber er braucht seine Bücher nicht zu verkaufen – Aristide setzte ihm eine fantastische Summe aus, ich glaube hunderttausend Pfund. Aristide machte alle finanziell unabhängig. Roger leitet eine große Lebensmittelfirma; Sophia bezieht eine schöne Rente. Das Geld der Kinder wird ordentlich verwaltet.«
    »Von seinem Tod hat also niemand einen Gewinn?«
    Sie warf mir einen seltsamen Blick zu.
    »Doch, alle. Sie bekommen alle noch mehr Geld. Aber sie hätten es ohnehin erhalten, wenn sie ihn darum gebeten hätten.«
    »Haben Sie eine Ahnung, Miss de Haviland, wer ihn vergiftet hat?«
    »Nein, nicht die Spur. Die Sache regt mich sehr auf. Kein angenehmer Gedanke, dass ein Borgia im Hause herumläuft. Ich glaube, die Polizei wird die arme Brenda drankriegen.«
    »Meinen Sie, mit Recht?«
    »Ich weiß es wirklich nicht. Sie kam mir immer sehr dumm und gewöhnlich vor – ziemlich farblos. Nicht meine Vorstellung von einer Giftmörderin. Aber wenn eine Vierundzwanzigjährige einen alten Mann heiratet, ist ja anzunehmen, dass sie es des Geldes wegen tut. Normalerweise konnte sie damit rechnen, in absehbarer Zeit eine reiche Witwe zu werden. Aber Aristide war sehr zäh. Sein Diabetes wurde nicht schlimmer. Er wirkte, als ob er hundert Jahre alt werden würde. Vielleicht hatte sie es satt zu warten.«
    »In diesem Fall…«
    »In diesem Fall«, fiel Miss de Haviland ein, »wäre alles mehr oder weniger in Ordnung. Das Gerede wäre natürlich ärgerlich. Aber sie gehört ja nicht zur Familie.«
    »Sonst haben Sie keinen Verdacht?«
    »Was für einen Verdacht sollte ich haben?«
    Ich selbst hegte den Verdacht, dass unter dem abgeschabten Filzhut mehr vorging, als ich wusste. Die alte Dame hatte einen klugen Kopf. Ich überlegte, ob sie am Ende selbst als Mörderin in Betracht käme…
    Unmöglich war das nicht. Im Geiste sah ich das Bild, wie sie mit rachsüchtiger Gründlichkeit die Winde zertrat. Und ich dachte an das Wort, das Sophia gebraucht hatte:
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