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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon
Autoren: Günter Wierichs
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lassen) dadurch, dass sein Vermögen, vor allem sein Kassenbestand, steigt. Da der Bankkredit zunächst einmal unverändert bleibt, hat sich dadurch sein Eigenkapital erhöht – unser Markus hat also Gewinn gemacht.

    Im Laufe der Zeit kommen bei Markus’ Unternehmen neben den täglichen Bargeschäften sehr viele weitere Vorgänge hinzu. Zum Beispiel sind bald Zinsen und Rückzahlungsraten für den Kredit fällig, Imbisswagen und Inventar verlieren im Zeitablauf an Wert und müssen abgeschrieben werden und so weiter. Alle Vorgänge sind zu erfassen.
    Das sind die bilanziellen Geschäfte. Markus ist fleißig, zuvorkommend und ehrgeizig. Leider hat er eine unstillbare Leidenschaft – das Pokerspiel. Eines Abends verliert er 20 000 Euro.
    Was tun? Seine Spielpartner sind knallhart. Markus ist gezwungen, sein Geschäftsvermögen zu plündern.
    Es muss schnell gehen. Mit großem Verlust verkauft Markus den schönen Imbisswagen inklusive Einrichtung für 35 000 Euro. Folglich bleiben nach Abzug seiner Spielschulden noch 15 000 Euro – genug für eine mit Fritteuse und einigen Pommes-Schachteln ausgestattete Bretterbude, in der er jetzt weiterarbeiten und auf bessere Zeiten hoffen kann. Da die Bank, die Markus seinerzeit das Existenzgründungsdarlehen gewährt hat, wohl kaum so freundlich sein dürfte, auf ihr Geld zu verzichten, hat sich die Bilanz unseres Jungunternehmers ein wenig verändert:

    Das Gesparte sowie die Gewinne sind futsch. Außerdem gibt es ein Bilanzloch, das durch ein negatives Eigenkapital virtuell aufgefüllt wird. Wenn Markus nicht schleunigst weiteres Geld heranschafft oder tolle Umsätze macht, muss er in die Insolvenz.
    Markus ist nämlich – im Gegensatz zu großen Banken – nicht → systemrelevant .
    Wie kann Markus so bescheuert sein, 40 Prozent seines Geschäftsvermögens beim Pokerspiel zu riskieren? Nun – einige Banken können sich in diesem Zusammenhang auch sehen lassen. Beispielsweise die Sächsische Landesbank. Sie hatte 2007 eine Bilanzsumme von etwa 62 Mrd. Euro. Über Zweckgesellschaften (→ Conduits ) türmten sich bis zu diesem Zeitpunkt sagenhafte 18 Mrd. Euro bei ihr in Form außerbilanzieller Geschäfte auf. Fast 30 Prozent – das kommt schon relativ dicht an unseren Zocker Markus heran. Die Gewinneinbrüche waren verheerend. Die Trümmer des freistaatlichen Kreditinstitutes wurden schließlich von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) übernommen.
    Markus’ Pokeraktivitäten hätte auch ein gewiefter Bilanzfachmann nicht aus seinen Geschäftszahlen herauslesen können. Die Pokerrunden fanden in irgendeinem Hinterzimmer statt, die Konsequenzen aus diesem dunklen Treiben gingen gleichwohl zu Lasten von Markus’ Geschäftsbilanz. Bei Banken und ihren Zweckgesellschaften ist es ganz ähnlich. Bedeutsame Risikopositionen können »konsolidierungsfrei« in Zweckgesellschaften ausgelagert werden. Damit tauchen die Risiken nicht mehr in den Bilanzen auf. Erst im Haftungsfall wird die Sachlage deutlich. Und dann leidet auch die Bilanz der Muttergesellschaft.

B
    Banken und die Folgen ihrer Geschäftspolitik
    Wer oder was sind eigentlich »die« Banken ? Sie vereinigen in ihren Bankenaktiva jedenfalls eine riesige Menge Kapital auf sich. Aber Vorsicht: Wenn das BIP den Finanzvermögen hinterherhinkt, haben wir es schnell mit Blasen zu tun. Und die platzen irgendwann – allerdings erst dann, wenn die Investmentbanker ihre Boni schon längst kassiert haben.

Banken (und schlechte Banken)
    Was ist eine Bank? Diese Frage ist zunächst einmal relativ einfach zu beantworten. Der Begriff kommt aus dem italienischen Wort banco beziehungsweise banca und heißt »Tisch«. Damit ist der Tisch eines Geldwechslers gemeint. Banken sind also in Geldgeschäften unterwegs.
    Volkswirtschaftlich gesehen schaffen Banken einen Ausgleich zwischen dem Angebot an vielen kleinen Einlagen und der Nachfrage nach großen Krediten (»Ballungsfunktion«). Ferner koordinieren sie unterschiedliche Laufzeitinteressen von Gläubigern und Schuldnern (»Fristentransformationsfunktion«; vgl. auch → ABCP ). Und da ein (Klein-)Anleger einer Bank sein Geld anvertraut, spielt auch die »Vertrauensfunktion« eine Rolle. Demnach sollten Banken bei ihrer Kreditvergabe auf eine hinreichende Bonität der Kreditnehmer achten und das Prinzip der Risikostreuung befolgen, also nicht ausschließlich in ein und dieselben Vorhaben investieren.
    Von der Vertrauensfunktion haben sich Banken, wie wir durch die zahlreichen
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