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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon
Autoren: Günter Wierichs
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Fremdkapital). Die Aktivseite hingegen zeigt an, in welcher Form das Geld angelegt wurde. Markus hat für die 45 000 Euro den Imbisswagen inklusive notwendigem Inventar erstanden.
    Die gesamten Bankenaktiva in Deutschland belaufen sich auf etwa 8 400 Milliarden Euro (und entsprechen damit in ihrer Höhe natürlich den Passiva). Einen großen Teil dieser Summe (etwa 35 Prozent) beschafft sich das Bankensystem bei uns über Einlagen auf Giro-, Festgeld- oder Sparkonten seiner Kunden. Sehr viel kommt aber auch über andere in- und ausländische Banken sowie über die gerade in letzter Zeit besonders generös auftretende → Europäische Zentralbank herein. Das Eigenkapital ist demgegenüber recht mager; im Verhältnis zur Bilanzsumme macht es nur ca. 5 Prozent aus. (Dies ist übrigens ein wesentlicher Grund für die Risikoanfälligkeit des Bankensektors; vgl. → Eigenkapital und seine Rendite .)
    Nimmt man jetzt die Verwendungsseite (Aktiva) unter die Lupe, so zeigt sich, dass etwa 40 Prozent der 8 400 Milliarden Euro in Form von Krediten und Wertpapieren bei in- und ausländischen Banken angelegt sind. Auch dies weist auf die enge Verflechtung der internationalen Finanzwelt hin. (Schlimm wird es dann, wenn das → Misstrauen in die Vorstandetagen der global agierenden Kreditinstitute einzieht.) Einen noch etwas höheren Anteil (ca. 45 Prozent) der zur Verfügung stehenden 8 400 Milliarden Euro legen die deutschen Banken im Nichtbankensektor an, indem sie Kredite an Privat- und Geschäftskunden gewähren beziehungsweise Staatsanleihen, Unternehmensanleihen oder andere Wertpapiere kaufen.
    In Bezug auf die Kreditvergabe der Banken ist zu fragen, inwieweit die zur Verfügung stehenden Mittel in den realwirtschaftlichen Sektor investiert werden. Es ist ein Unterschied, ob eine Bank Kredite gewährt, die zum Kauf eines Autos, einer neuen Wohnungseinrichtung oder einer weiteren Produktionsmaschine verwendet werden, oder ob sie Kreditmittel an private Zocker (vgl. → Tageshändler ) oder Berufsspekulanten (zum Beispiel → Hedgefonds ) bereitstellt. Mittlerweile sieht es in Deutschland so aus, dass der Anteil der in die Realwirtschaft fließenden Kredite nur noch 40 Prozent beträgt. Das Gros der Kredite geht also in den Finanzbereich.
    Bei der Verwendung der Bankenaktiva für den Kauf von Anleihen und anderen Wertpapieren stellt sich die Frage nach der »Werthaltigkeit« dieser Investments. Volkswirtschaftlich ganz besonders haarig wird es, wenn immer mehr Bankenaktiva in spekulative und höchst unsichere Wertpapierengagements fließen. Die Finanzkrise 2007 hat mit ihren trefflichen → CDO den Spekulationswahnsinn mehr als deutlich gemacht. Angesichts des immens steigenden Finanzanlagevermögens in Kombination mit der zunehmenden Unfähigkeit der Branche, für dieses anschwellende Vermögen hinreichende Renditen erwirtschaften zu können, wächst die Gefahr flächendeckender Wertverluste bei den Aktiva. Immerhin sind wir inzwischen so weit, dass Anlagen, die früher als topsicher galten, plötzlich einem ungeheuren Wertverfall unterliegen. Die Kreditinstitute reicherten beispielsweise in der Vergangenheit ihre Bankenaktiva wacker mit griechischen, italienischen, spanischen etc. Schuldverschreibungen an – so lange, bis die Diskussion um die Zahlungsfähigkeit dieser (und vieler weiterer) Länder begann. Die Commerzbank beispielsweise hielt Mitte des Jahres 2011 Schuldtitel aus Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien im Wert von 14,7 Milliarden Euro, die Landesbank Baden-Württemberg kam auf 8 Milliarden Euro. Entsprechend groß war der Wertberichtigungsbedarf, als die mittlerweile sogenannte »Euro- und Staatsschuldenkrise« heraufzog. Daran sieht man schon: Diese angebliche Krise der öffentlichen Haushalte ist vor allem eine Bankenkrise (vgl. → Griechenland und Island ). Denn die »Märkte« können sich im Prinzip jederzeit auf neue Anwärter für den Status eines miserablen Schuldners einschießen: Wenn Ratingagenturen aufgrund von Einschätzungen ihrer → Finanzanalysten herabsetzen, hat dies einen großen Einfluss auf den Wert aller herausgegebenen Papiere dieses Schuldners. Auch bloße Gerüchte um eine bevorstehende Ratingherabstufung können zu Wertverlusten führen. Über ihre Bankenaktiva wird sich der Finanzsektor dann stets im Zentrum des Geschehens befinden und durch die fälligen Wertberichtigungen in Schwierigkeiten geraten.

BIP (Bruttoinlandsprodukt)
    Nehmen wir an, jemand findet nach
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