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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon
Autoren: Günter Wierichs
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dann die Angst.
    Beide Triebe sind Ausdruck eines Herdenverhaltens. Bei signifikant steigenden Preisen setzt die Gier ein. Jeder möchte dabei sein und mitreden, unter Gleichgesinnten im allgemeinen Hochgefühl schwelgen. Anders ausgedrückt: Keiner möchte in der zweiten Reihe stehen. »Ja, wir sind jetzt auch eingestiegen; ging ja toll ab – von 30 auf 100 Euro, in NullKomma-Nix!«
    Dann kommen die ersten Misserfolgsmeldungen. »Die X-Aktie lief ja gar nicht so berauschend. Mal sehen …« Oder: »In den USA sollen jetzt die Profis aussteigen. Die ahnen doch was …«. Weitere Hiobsbotschaften lassen nicht lange auf sich warten.
    Das ist die Stunde der Angst, der Minsky-Moment.
    Jetzt schnell raus aus dem Investment, heißt plötzlich die Devise. Und da wiederum alle so handeln, geht es rapide bergab – so lange, bis der Markt bereinigt ist und wieder realistische Preise herrschen.
    Angst und Gier sind die Mechanismen. Je nachhaltiger diese Mechanismen wirken, je schneller sie um sich greifen, desto stärker und ausgeprägter sind Aufpumpen und Erschlaffen der Blase. Dabei kommt es ganz wesentlich auf die Kommunikationswege an.
    Eine perfekt vernetzte Welt mit totaler Marktübersicht, in der sich alle Meinungen, Gefühle und Stimmungen rasend schnell verbreiten können, ist besonders anfällig für Blasen. Diese Welt ist uns durch das Internet und die Massenmedien beschert worden.
    Die Abstände werden kürzer. Unsere Banker haben ihre Schäfchen aber meist schon ins Trockene gebracht.

Boni
    Ab 2007 waren sie in aller Munde – die Boni der Investmentbanker. 33 Milliarden US-Dollar hatte man an die selbst ernannten masters oft the universe der Wall Street, dem Zentrum des → Investmentbanking , ausgeschüttet. Ein Jahr zuvor waren es noch 1,3 Milliarden mehr gewesen. Das Minus gegenüber 2007 markierte also einen Einbruch. Kein Vergleich jedoch zu dem Einbruch, der sich aufgrund der Finanzkrise ab 2007 weltweit vollzog. Die globalen Kursrückgänge bei Wertpapieren summierten sich nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf 4 000 Milliarden Dollar. Mit einer Zeitverzögerung von etwa eineinhalb Jahren schwappte die Finanzkrise auch auf die Realwirtschaft über. Das Welt-Bruttoinlandsprodukt (→ BIP ) sackte 2009 um mehr als 3 000 Milliarden Dollar; in Deutschland ging das BIP um 4 Prozent zurück.
    Die Finanzwelt hat sich zwar in ihrer Spekulationsfixierung von der Realwirtschaft entfernt, sie kann diese allerdings bedauerlicherweise immer noch stark schädigen, wenn Spekulationsblasen platzen. Das war schon bei der Asienkrise Ende der 1990er Jahre so. Der üble Einfluss setzte sich mit der Technologieblase (»Dotcom-Krise«) um die Jahrtausendwende fort, und in der Finanzkrise 2007 kam der Wirkungszusammenhang von Finanz- und Wirtschaftskrise zu einem (vorläufigen) Höhepunkt.
    Auf der anderen Seite erreichten die Boni der Investmentbanker gerade in besonders exzessiven Jahren jeweils einen Höhepunkt: 1997 (Asienkrise) mit 11,2 Milliarden Dollar, 2000 (Technologieblase) mit 19,5 Milliarden Dollar und 2006/2007 mit 34,3 Milliarden beziehungsweise 33 Milliarden Dollar. Beide Entwicklungen, auf der einen Seite Boni/Finanzexzesse, auf der anderen Seite die zeitverzögert folgenden Wirtschaftskrisen, kann man vereinfachend auch so charakterisieren: Wenn man sich an der Wall Street die Hände reibt, wird es uns allen bald schlecht gehen.
    Boni sind unanständig und gefährlich. Sie schaufeln nicht nur einen tiefen Graben zwischen denjenigen, die aufgrund des Handels mit hohen Summen in einem Klima überhitzter Börsenphantasien das bis zu Hundertfache eines normalen Arbeitnehmers verdienen, sie führen darüber hinaus zu Fehlsteuerungen. Risiken werden ausgeblendet, und es zählt nur der kurzfristige Handelserfolg. Obwohl man inzwischen dazu übergegangen ist, die Festgehälter der Finanzjongleure zu Lasten der transaktionsabhängigen Bonuszahlungen zu erhöhen, hat sich an dem strukturellen Problem nichts geändert. Denn noch immer steht das spekulationsgetriebene Agieren im Vordergrund.
    Dass Investmentbanker sich nicht nur schamlos bereichern und dabei die Gefährdung ihres Handelns für die Allgemeinheit ignorieren, sondern darüber hinaus auch ihre Interessen nach wie vor mit großer Beharrlichkeit rigoros durchsetzen, wurde im April 2013 deutlich. Mehr als 100 Investmentbanker klagten vor einem Londoner Gericht gegen die Commerzbank auf Auszahlung von Boni. Es ging um einen Bonustopf in
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