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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon
Autoren: Günter Wierichs
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Dienstleistungsgesellschaft hat ein spezieller Dienstleistungssektor, die Bankenwelt, eben ganz besonders zugelegt und dabei auch Arbeitsplätze geschaffen. Im Unterschied zu anderen volkswirtschaftlichen Sektoren jongliert die Finanzindustrie jedoch mit ungeheuren Summen. Die → abartige Entwicklung bei den Finanzvermögen trägt den Keim der Zerstörung des gesamten wirtschaftlichen Gefüges in sich.
    Nun verhält es sich jedoch keineswegs so, dass in der realwirtschaftlichen Welt, also dort, wo Geld- und Güterströme in einem direkten Verhältnis zueinander stehen und vorgeblich echte Werte geschaffen werden, alles im Lot ist. Im Gegenteil – auch hier hapert es gewaltig. Quantitatives Wachstum wird immer noch völlig unreflektiert mit Wohlstand gleichgesetzt. Dass diese Vereinfachung nicht stimmt, kann man leicht anhand der zahlreichen Argumente von Wachstumskritikern nachvollziehen. Hier ist eine kleine Auswahl:
    • Wir sind eine Wegwerfgesellschaft; Jahr für Jahr werden beispielsweise etliche Nahrungsmittel, Medikamente und funktionsfähige Konsumgüter im Gegenwert von Milliarden Euro wortwörtlich »in die Tonne gekloppt«.
    • Unser Wohlstand geht mit einem beispiellosen Raubbau an der Natur und einer Verschwendung von Ressourcen einher.
    • Moderne Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Beschwerden, Übergewicht, Bluthochdruck, Karies etc. weisen auf eine Überproduktion an ungesunden Gütern hin. Und solche Güter werden häufig von marktbeherrschenden Großkonzernen hergestellt, die mithilfe aggressiver Marketingstrategien ihre gesundheitsschädlichen Brausen und Burger erfolgreich am Markt platzieren.
    • Einseitiger Wachstumsfetischismus blendet Verteilungsfragen aus. Wer in welchem Maße vom Wachstum profitiert, welche Ungleichgewichte dabei entstehen, wird kaum berücksichtigt.
    Folglich gibt es keine strahlende heile Welt der Realökonomie und eine »böse« Welt der Finanzindustrie. Aber darum geht es auch gar nicht. Wichtig ist, dass wir uns nicht nur Gedanken um die Sinnhaftigkeit der auf dem Wachstumsdogma basierenden Produktion von immer mehr Gütern und Dienstleistungen sowie um die Verteilung des »Kuchens« Bruttoinlandsprodukt machen, sondern uns auch darüber im Klaren werden, welche Auswirkungen eine von der Realität der Güter- und Dienstleistungsproduktion weitgehend abgekoppelte Geldwirtschaft nach sich zieht. Darüber hinaus bietet das in der Geldwirtschaft vorherrschende Zins- und Zinseszinsprinzip (vgl. → Zinseszinsen und Zinsverbot ) eine zusätzliche Gelegenheit, unseren realwirtschaftlichen Wachstumszwang kritisch zu überdenken. Dieser Wachstumszwang, definiert als regelmäßig zu erbringende prozentuale Steigerung des BIP auf der Basis eines inzwischen erreichten äußerst hohen Niveaus, ist letztendlich genau so absurd wie der Drang eines Superreichen, seinem Vermögen von 10 Milliarden mittels Zinsen und Zinseszinsen innerhalb möglichst kurzer Zeit weitere Milliarden hinzufügen zu müssen.
    Worin besteht da die »Wertschöpfung«? Hier wird doch eher etwas aufgeblasen.

Blasen
    Tulpen aus einem fernen Land – das war in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts, dem »Goldenen Zeitalter«, das Statussymbol für Vermögende. Nicht nur Tulpenzwiebeln, auch Rechte an der begehrten Knolle wurden gehandelt. Die Preise stiegen bis 1637; mit der Irrsinnssumme von umgerechnet etwa 87 000 Euro für eine Zwiebel war dann Feierabend. Bei einer ganz gewöhnlichen Auktion blieb ein Händler auf einem einzigen Kontrakt sitzen und fand keinen Abnehmer. Das sprach sich sehr schnell herum. Der Preise verfielen, der Minsky-Moment war gekommen.
    Hyman Minsky verstarb 1996. Im Prinzip ein Jahr zu früh, denn 1997 begann mit der Asienkrise jene Abfolge an Finanzkrisen, die uns in immer kürzeren Abständen auf Trab halten. Der Wirtschaftswissenschaftler hatte sich bereits frühzeitig mit Marktübertreibungen, -blasen und -krisen beschäftigt und eine Theorie der finanziellen Instabilität entwickelt. Diese Instabilität tritt bereits während eines Aufschwungs ein. Irgendwann ist der Markt dann so weit, dass er umkippt. Hierzu bedarf es lediglich eines kleinen Ereignisses. Das ist der Minsky-Moment.
    Es gibt außer der Tulpengeschichte zahlreiche weitere Beispiele für Blasen an Börsen oder bestimmten Märkten. Aber egal – ob Tulpen-, Aktien-, Immobilien- oder Kreditblasen: Das Muster bei einer solchen wirtschaftlichen Fehlentwicklung ist stets gleich: Zunächst kommt die Gier,
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