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Das Koenigreich der Luefte

Das Koenigreich der Luefte

Titel: Das Koenigreich der Luefte
Autoren: Stephen Hunt
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erheitert. »Nun, tatsächlich? Du hast eine recht gebildete Ausdrucksweise für ein Mädchen, das in diesen Mauern aufgewachsen ist.«
    »Die letzte Leiterin dieser Anstalt war eine Zirklistin, Damson Fairborn«, sagte der Büttel. »Sie erteilte den Kindern auch über das vorgeschriebene Alter hinaus Unterricht und setzte sich über den Erlass zur Verminderung von Armut hinweg.«
    »Der Verstand ist am schwersten zu verbessern und am leichtesten zu verderben«, erwiderte die Dame. »Und wie ist es mit dir, Molly? Du hast für deine Arbeit keinen Lohn erhalten, nehme ich an?«
    »Nein, Damson«, antwortete Molly. »Das Geld geht vollständig an die Armenfürsorge von Sun Gate.«
    Damson Fairborn lächelte verständnisvoll. »Ja, ich wäre vermutlich überrascht, wie teuer der Viktualienausschuss in den billigsten Abfallküchen einkaufen kann. Aber dennoch.« Sie sah den Büttel geradewegs ins Gesicht. »Ich bin sicher, die Anlieferer haben ihre Fixkosten.«
    Der Büttel wand sich geradezu hinter seinem Schreibtisch.
    »Nun, meine Liebe.« Damson Fairborn rückte das bedruckte Seidentuch zurecht, das um die Schultern ihrer Jacke lag. »Mit dir wird es gehen. Ich denke, ich könnte dir ein hübsches Stipendium zahlen, sobald die monatlichen Gebühren für die Fürsorge erwirtschaftet wurden.«
    Molly war wie vom Donner gerührt. Ein Arbeitgeber, der bereit war, die Gebühren und noch zusätzlichen Lohn für den Kostgänger zu zahlen? So etwas war im Sun-Gate-Armenhaus bisher noch nicht vorgekommen. Schließlich beruhte die Grundidee der Einrichtung darauf, dass seine Betreiber billige Arbeitskräfte bereitstellten.
    »Vergessen Sie nicht, sie ist eine Waise«, erinnerte der Büttel. »In einem Jahr wird sie mündig, und dann zählt sie zu den Wählern. Ich kann Ihnen ihre Mündelbriefe lediglich für zwölf Monate übereignen.«
    Die Dame lächelte. »Ich denke, nach einem Jahr bei mir wird unsere Kleine einen so teuren Geschmack entwickelt haben, dass sie es kaum vorziehen wird, wieder für Ihre Geschäfte in der Handsome Lane zu arbeiten.«
    Molly folgte ihrer neuen Arbeitgeberin auf die Straße und verließ das finstere Sun-Gate-Arbeitshaus samt seiner Bewohner. Eine eigene Droschke wartete auf die Dame, und die Pferde und die Kutsche waren ebenso pechschwarz wie die Livree des untersetzten, kugelköpfigen Gefolgsmannes, der neben ihnen stand.
    »Damson Fairborn.« Molly räusperte sich höflich, als der Diener den Schlag der Kutsche öffnete.
    »Ja, meine Liebe.«
    Molly deutete auf die gefängnisartigen Mauern des Armenhauses hinter ihnen. »Normalerweise kommt man nicht hierher, um neue Dienstboten anzuwerben.«
    Ihre neue Arbeitgeberin sah sie überrascht an. »Aber Molly, ich habe dich nicht als Kammerzofe oder Küchenmädchen vorgesehen. Hast du meinen Namen nicht erkannt?«
    »Ihren Namen?«
    »Lady Fairborn, Molly. Wie im Namen meines Geschäfts, Fairborn & Jarndyce.«
    Molly wurde kalt.
    »Natürlich«, sagte die Dame und gab ihrem muskelbepackten Gefolgsmann ein Zeichen, »weilt Lord Jarndyce leider nicht länger unter uns. Nicht wahr, Alfred?«
    »Eine wahre Schande, Mylady«, antwortete der Bedienstete. »Ist beim Abendessen an einem Stückchen Hummerschale erstickt, hat man erzählt.«
    »Ja, Alfred. Das war wirklich sehr nachlässig von ihm. Eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen sich das gute Leben als schädigend für die eigene Konstitution erweist, würde ich sagen.«
    Mollys Augen waren immer noch vor Schreck geweitet. »Aber Fairborn & Jarndyce ist ein …«
    »Ein Freudenhaus, meine Liebe, ganz recht. Und ich, um das nicht zu zartfühlend auszudrücken, bin allgemein als Königin der Huren bekannt.«
    Der Gefolgsmann trat hinter Molly und schnitt ihr die Fluchtmöglichkeit entlang der Straße ab.
    »Und du, Molly – ich denke, dass du dich als eines meiner Mädchen sehr gut machen wirst.«
    Im Büro des Büttels blendete sich währenddessen die Beobachterin in die Realität des Armenhauses ein. Ihr war nur eine einzige Einmischung gestattet, und es war eine ihrer besten gewesen. Nur ganz wenig. Wie es sein musste. Kaum eine Bitte wert.
    Ursprünglich hatte der Büttel beabsichtigt, Mollys Mündelbriefe dem großen Schlachthof bei Cringly Corner zu überlassen, aber dieser Realitätspfad hätte dazu geführt, dass Molly wegen ständigen Widerspruchs erneut entlassen und zurückgeschickt wurde und nur sechs Wochen später ins Armenhaus zurückgekehrt wäre. Und das hätte der Beobachterin
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