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Das kleine Reiseandenken

Das kleine Reiseandenken

Titel: Das kleine Reiseandenken
Autoren: Berte Bratt
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viel zu erzählen.
    „Zu Tante Agate brauch ich erst in vierzehn Tagen“, fügte sie am Schluß noch hinzu.
    Dann saß sie lange und starrte verloren vor sich hin. Der Gedanke, von Inge und Dixi weg zu müssen, behagte ihr überhauptnicht.

Dänische Gastlichkeit
     
     
    „Nein, hast du Worte!“ rief Inge aus.
    Sie warf einen Blick aus dem Fenster und packte ihre Zeichenmappe zusammen.
    „Es regnet ja!“
    Ingrid lachte. „Ja. Schon eine ganze Stunde. Hast du das gar nicht gemerkt?“
    „Nein, überhaupt nicht. Wenn ich arbeite, würde ich wohl nicht mal ein Erdbeben merken, ehe mir das Dach auf den Kopf fällt. Ja, was machen wir denn nun, mein Kind? Dann wird ja heute abend nichts aus dem Tivoli?“
    „Das macht doch nichts!“
    „Gut, dann essen wir erst mal zu Mittag. Hinterher können wir immer noch sehen.“
    „Zu Mittag? Du meinst zu Abend.“
    „Aber nein. Weißt du denn nicht – nein, woher solltest du das wohl wissen? Wir essen hierzulande abends zu Mittag.“
    „Aber wir haben doch heute mittag Spiegeleier und Bratkartoffeln gegessen!“
    Ingrid mußte das genau wissen. Sie hatte selbst die Eier besorgt und gebraten, hatte den Tisch gedeckt und aufgewaschen.
    „Das war das Frühstück.“ Ingrid schüttelte den Kopf.
    „Zum Frühstück haben wir doch Kaffee getrunken und Rundstücke gegessen.“
    „Nein. Das war kein Frühstück. Das war der Morgenkaffee.“
    Jetzt mußte Ingrid laut lachen.
    „Also in diesem Lande ißt man Frühstück zu Mittag, und der Nachmittag kommt vor dem Mittag, ist es nicht so?“
    „Ganz recht. Und jetzt machen wir die Würstchen heiß, die du heute morgen besorgt hast. Der Kartoffelsalat ist fertig. Dann zuckere ich schnell noch ein paar Apfelsinen ein, das gibt ein feines Mittagessen, nicht wahr.?“
    Inge hatte schnelle, flinke Hände. Im Nu hatte sie das Essen fertig. Es schmeckte Ingrid wirklich gut, obwohl sie gar nicht daran gewöhnt war, zweimal am Tage warm zu essen.
    „Und nun?“ fragte Inge. „Ich will heute nicht mehr arbeiten. Ich habe mindestens zehn blöde lächelnde Damen in Badeanzügen gezeichnet. Das einzig Gute ist, daß ich anständig dafür bezahlt werde und außerdem einen schönen, neuen Badeanzug zum Einkaufspreis bekomme.“
    „Da kannst du lachen“, meinte Ingrid.
    „Heute habe ich mindestens zehn lächelnde Damen in Badeanzügen gezeichnet!“
    „Du auch, denn du kriegst meinen alten, wenn du einen brauchst.“
    „Ja, ich – ich hab keinen…“
    „Siehst du. Wir nähen ihn bloß ein bißchen um, dann wird er dir passen. Jetzt hat es übrigens aufgehört zu regnen, und Dixi muß noch an die Luft. Kommst du mit? – Eine dumme Frage, wie? Natürlich kommst du mit!“
    Die Frühlingsluft war frisch, kühl und rein nach dem Regen. Die große und die kleine Ingrid trabten in den Frühlingsabend hinaus, und die Augen der kleinen Ingrid wanderten eifrig hierhin und dorthin.
    Es gab so viel zu sehen.
    „Bredgade.“ Inge zeigte auf ein Schild. „Das bedeutet Breite Straße. Jetzt biegen wir hier ein.“ Sie gingen weiter, bis Inge auf einem großen achteckigen Platz mit einem Reiterstandbild in der Mitte stehenblieb.
    „Weißt du, wer hier wohnt – in diesem Haus dort?“ Sie zeigte hinüber.
    „Sicher schwerreiche Leute“, meinte Ingrid, „es sieht ja aus wie ein Schloß.“
    „Richtig geraten. Da wohnt nämlich die Königin.“ Ingrid schaute sie ungläubig an.
    „Hier? Mitten in der Stadt? So daß man hingehen und die Hauswand anfassen kann? Ich dachte immer, Könige und Königinnen wohnen hinter irgendwelchen hohen Mauern, und keiner kann an ihr Schloß rankommen.“ Inge lachte.
    „Ja. Aber so ist es hier nicht. Früher oder später bekommst du vielleicht unseren kleinen Prinzen zu sehen. Sie gehen oft auf der Langelinie spazieren.“
    „Was ist das, die Langelinie?“
    „Das werde ich dir gleich zeigen.“
    Sie gingen weiter und kamen zu einem prachtvollen großen Springbrunnen. Eine riesige Frauengestalt aus grüner Bronze schritt hinter einem mit drei Stieren bespannten Pflug einher. Inge erzähltedie Sage von der schwedischen Gefion, die ihre Söhne in Stiere verwandelte und vor einen Pflug spannte. Damit pflügte sie ein großes Stück Land aus Schweden heraus, so daß ein Binnensee entstand. Das herausgepflügte Land legte sie in den See hinaus, und das war die Insel Seeland, auf der Kopenhagen lag.
    Beim Gefionbrunnen, fing die Langelinie an, die lange, schöne Strandpromenade mit den frischen grünen
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