Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Kind

Titel: Das Kind
Autoren: Sebastian Fitzek
Vom Netzwerk:
derzeit …«
Engler blätterte eine Seite um.
»… in der neurologischen Abteilung der Seehausklinik in
Westend behandelt. Er behauptet, er selbst habe den Mann ermordet, und zwar in einem früheren Leben.« »Vor fünfzehn Jahren, ja«, bestätigte Stern. »Wenn ich richtig mitzähle, habe ich Ihnen das jetzt schon zum achten Mal gesagt.«
»Ja, das haben Sie, aber …«
Engler unterbrach sich mitten im Satz und legte zu Sterns Verwunderung erneut den Kopf in den Nacken. Dann presste er beide Nasenfl ügel mit Daumen und Zeigefi nger gegen die Scheidewand.
»Gar nicht beachten«, sprach er mit nasaler Stimme und klang jetzt wie eine Comicfi gur. »Verdammtes Nasenbluten. Das bekomme ich immer, wenn ich erkältet bin.« »Dann sollten Sie besser kein Aspirin mehr schlucken.« »Macht das Blut fl üssiger, ich weiß. Aber wo waren wir stehengeblieben?« Engler redete immer noch zur grauen Zimmerdecke hin. »Ach ja. Achtmal. Stimmt. So oft haben Sie mir diese wirre Geschichte jetzt aufgetischt. Und jedes Mal habe ich mich gefragt, ob ich bei Ihnen nicht einen Drogentest veranlassen sollte.«
»Tun Sie sich keinen Zwang an. Wenn Sie noch mehr meiner Rechte verletzen wollen, gerne.« Stern drehte seine Handfl ächen einladend nach außen, als trüge er ein Tablett. »Ich hab zwar nicht mehr viel Spaß im Leben, aber Sie und Ihre gesamte Einrichtung zu verklagen wäre sicher eine amüsante Abwechslung.«
»Bitte regen Sie sich nicht auf, Herr Stern.« Robert schrak zusammen.
Ein Wunder, dachte er. Der Zwei-Meter-Klops neben Engler
kann ja doch sprechen.
»Sie stehen nicht unter Verdacht«, erklärte Brandmann. Stern war sich nicht sicher, ob er da ein »noch« zwischen
den Zeilen heraushörte.
»Nur damit hier keine Zweifel aufkommen.« Robert widerstand der Versuchung, sich ebenfalls zu räuspern. »Ich bin Anwalt, aber nicht bekloppt. Ich glaube nicht an Seelenwanderung, Reinkarnation und den ganzen Esoterikmist, und ich verplempere meine Freizeit auch nicht damit, Skelette auszubuddeln. Reden Sie mit dem Jungen, nicht mit mir.« »Das werden wir, sobald er wieder aufgewacht ist«, nickte Brandmann.
Sie hatten Simon bewusstlos im Nebengang gefunden. Zum Glück war die Ohnmacht nicht so plötzlich gekommen wie der erste Anfall vor zwei Jahren. Damals, als der Tumor im Frontalhirn sich zum ersten Mal bemerkbar machte. Simon hatte sich am Lehrerpult die Stirn blutig geschlagen, als er auf seinem Weg zur Tafel mitten im Klassenzimmer zusammenbrach. Diesmal hatte er sich noch abstützen können, bevor er mit dem Rücken zur Wand in dem überschwemmten Kellergang sitzen blieb. Abgesehen davon, dass er in einen tiefen Schlaf versunken war, schien es ihm gutzugehen.
Carina hatte ihn so schnell wie möglich im Krankenwagen zur Klinik zurückgebracht, und daher war Stern der Einzige am Tatort gewesen, als Engler persönlich mit seinen Männern und dem Team der Spurensicherung erschien. »Noch besser, Sie halten sich an den Therapeuten«, empfahl Stern weiter. »Wer weiß, was dieser Tiefensee Simon unter Hypnose alles eingeredet hat?«
»Hey, das ist eine gute Idee. Der Psychologe! Mann, da wär ich im Leben nie draufgekommen.«
Engler grinste zynisch. Sein Nasenbluten hatte aufgehört, und er sah Stern wieder direkt in die Augen. »Sie sagen also, der Ermordete liegt dort jetzt schon seit
fünfzehn Jahren?«
Stern stöhnte auf. »Nein. Nicht ich sage das, sondern Simon. Aber wahrscheinlich hat er damit sogar recht.« »Warum?«
»Nun, ich bin zwar kein Pathologe, aber der Keller war feucht, und die Leiche befand sich in einem dunklen Holzverschlag, wo sie, wie in einem stabilen Sarg, keiner direkten Sauerstoffzufuhr ausgesetzt war. Trotzdem zeigte sie an einigen Körperstellen nahezu vollständige Verwesungserscheinungen. Leider auch an dem Kopf, den ich in meinen Händen halten durfte. Und das bedeutet …« »… dass der Tote dort nicht erst gestern entsorgt wurde. Korrekt.«
Stern drehte sich erstaunt nach hinten um. Er hatte den Mann gar nicht eintreten hören, der jetzt gewollt lässig im Türrahmen lehnte. Mit seinen grau-schwarzen Haaren und der getönten Goldrandbrille sah Christian Hertzlich eher wie ein alternder Tennistrainer aus, und nicht wie der Kommissariatsleiter beim Landeskriminalamt. Stern fragte sich, wie lange Englers direkter Vorgesetzter schon ihrer hitzigen Auseinandersetzung gelauscht hatte.
»Dank unserer modernen Gerichtsmedizin werden wir sehr bald den genauen Todeszeitpunkt erfahren«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher