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Das Kind

Titel: Das Kind
Autoren: Sebastian Fitzek
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»Der Typ ist einer der fähigsten Anwälte der Stadt.«
»Und womöglich ein Mörder«, sagte Hertzlich. »Das glauben Sie doch selbst nicht!« Engler schluckte und überlegte kurz, welche Notapotheke auf seinem Nachhauseweg lag. Er brauchte dringend ein örtliches Betäubungsmittel, das er sich in den Rachen sprühen konnte. »Der Mann hat einen IQ höher als der Mount Everest. Der ist doch nicht so dämlich und führt uns zur Leiche eines
Mannes, den er selbst erschlagen hat.«
»Könnte doch gerade deshalb ein cleverer Schachzug sein.« Der Kommissariatsleiter hob seine schwere Brille etwas an, um sich die Druckstellen zu reiben, die sie auf seinen glänzenden Nasenfl ügeln hinterlassen hatte. Engler konnte sich nicht erinnern, seinem Chef jemals direkt in die Augen gesehen zu haben. Im Revier liefen Wetten, dass er mit dem Ungetüm sogar ins Bett stieg.
»Möglicherweise ist er auch durchgedreht«, überlegte Hertzlich laut in Brandmanns Richtung. »Die Geschichte mit dem wiedergeborenen Jungen hört sich für mich jedenfalls nicht sehr gesund an.«
»Er wirkt seelisch labil«, stimmte der Psychologe zu. Engler verdrehte die Augen. »Ich sag’s noch mal: Wir verschwenden unsere Zeit an den falschen Mann.« Hertzlich drehte sich überrascht zu ihm um. »Ich dachte, Sie können ihn nicht leiden?«
»Ja, Stern ist ein Arschloch. Aber kein Mörder.« »Und was sagt Ihnen das?«
»Dreiundzwanzig Jahre Erfahrung. Für so etwas habe ich eine Nase.«
»Nun, wir hören ja alle, wie gut sie heute funktioniert.« Hertzlich lachte als Einziger über seinen Witz, und Engler musste Brandmann zugutehalten, dass er offenbar doch noch nicht völlig im Hintern des Kommissariatsleiters verschwunden war. Leider kam er nicht mehr dazu, zu begründen, warum er Robert Stern für unfähig hielt, einen Menschen mit der Axt zu erschlagen. Seine Nase lief plötzlich in Sturzbächen. Als der Zellstoff seines Taschentuches sich dunkelrot verfärbte, musste er den Kopf wieder in den Nacken legen. »Ah, nicht schon wieder …«
Hertzlich musterte ihn argwöhnisch. »Ich dachte vorhin, das Nasenbluten gehört zur Show. Sind Sie überhaupt dazu in der Lage, die Ermittlung in diesem Fall zu leiten?« »Ja, ist nur ein leichter Schnupfen. Kein Problem.« Er riss zwei saubere Fetzen vom Taschentuch ab, rollte sie zusammen und verstöpselte sich mit ihnen beide Nasenlöcher.
»Geht schon wieder.«
»Gut, sehr gut. Dann trommeln Sie mal das Team zusammen und kommen Sie in zehn Minuten in mein Büro.« Engler stöhnte innerlich und sah auf die Uhr. Es war Viertel vor elf. Abgesehen von seinem Gesundheitszustand, musste er dringend Charlie rauslassen. Die arme Hundeseele wartete jetzt schon seit über zehn Stunden alleine auf ihn in seiner kleinen Wohnung.
»Ziehen Sie nicht so eine Fresse, Engler. Es dauert nicht lange. Lesen Sie die Akte. Danach werden Sie verstehen, warum ich will, dass Sie an Stern dranbleiben und ihm die Hölle heißmachen.«
Engler nahm den Hefter von der Tischplatte. »Wieso? Was steht denn drin?«, rief er Hertzlich hinterher, der gerade das Verhörzimmer verlassen wollte. »Der Name eines alten Bekannten.«
Hertzlich drehte sich um.
»Wir wissen jetzt, wer der Tote ist.«

6.
S tern war durch die traurige Stimme auf seiner Mailbox abgelenkt, als er einen Tag später, kurz nach elf Uhr abends, den Flur seiner Villa betrat. Carina hatte in den vergangenen vierundzwanzig Stunden mehrmals versucht, ihn zu erreichen, aber nur eine einzige Nachricht hinterlassen. In der Zwischenzeit war sie ebenfalls verhört und heute Morgen vom Klinikleiter bis auf weiteres beurlaubt worden. »Simon geht es gut. Er fragt nach dir. Aber ich fürchte, jetzt hast du schon zwei Mandanten, die einen Anwalt brauchen«, versuchte sie müde zu scherzen. »Können die mich wirklich wegen Kindesentführung drankriegen, weil ich Simon aus dem Krankenhaus gebracht habe?« Carina lachte nervös, bevor sie auflegte.
Stern drückte zweimal die Sieben und löschte so die Nachricht. Er würde sie morgen, am Samstag, zurückrufen. Wenn überhaupt, denn eigentlich wollte er mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben. Er hatte schon genug eigene Probleme am Hals.
Ohne sich seinen Mantel auszuziehen, ging er mit der Post unterm Arm ins Wohnzimmer. Als er hier für einen kurzen Moment das Deckenlicht anknipste, blickte er in einen Raum, der so aussah, als wäre eine organisierte Diebesbande mit einem Laster vorgefahren und hätte alle kostbaren Möbel und
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