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Das Kind, das deinen Namen traegt

Das Kind, das deinen Namen traegt

Titel: Das Kind, das deinen Namen traegt
Autoren: Michelle Reid
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denn Claudia hatte es sich anders überlegt und wollte lieber ein Bad nehmen. Erschöpft stieg sie kurz darauf in das warme Wasser und versuchte, an nichts mehr zu denken, nichts mehr zu fühlen und nur die ersehnte Ruhe zu genießen.
    Nach dem Bad zog sie sich ihren roten Bademantel über und ging ins Wohnzimmer. Dort ließ sie sich in einen Sessel fallen und kuschelte sich in ihren warmen Bademantel. Sie fröstelte, obwohl die Heizung aufgedreht und es im Zimmer warm war. Das seidige schwarze Haar umrahmte weich ihr Gesicht, was die starke Blässe noch betonte. Die sonst so roten, sinnlichen Lippen waren matt und farblos, und Claudias Züge zeigten Spuren großer seelischer und körperlicher Belastung. Wenn Michael sie jetzt gesehen hätte, wäre er schockiert gewesen, dass sie sich in wenigen Stunden so verändert hatte.
    Michael... Ein ganzes Wochenende mit ihm lag noch vor ihr. Natürlich könnte sie ihm absagen, doch das wollte sie nicht. Dieses letzte Wochenende wollte sie noch mit ihm genießen.
    Wieder begann das Telefon zu klingeln, und Claudia nahm den Hörer ab, denn sie ertrug das schrille Läuten nicht länger.
    "Hallo?"
    "Claudia? Wo warst du? Ich habe vorhin schon einmal angerufen, aber niemand hat sich gemeldet."
    Also war es Michael gewesen und nicht ihre Mutter. "Ich war in der Badewanne", log Claudia.
    "Oh." Dann herrschte Stille, eine unangenehme Stille, die Claudia verwirrte.
    "Bist du allein?" erkundigte sich Michael schließlich.
    Sie lehnte sich kraftlos gegen die Wand und fragte sich, worauf er hinauswollte.
    Normalerweise rief er nicht mehr an, wenn sie sich schon verabredet hatten. Seltsam, dass er sich so ungewöhnlich verhielt.
    "Nein", antwortete Claudia spöttisch. "Ein Mann wartet auf mich, und du störst." Natürlich bin ich allein, dachte sie ärgerlich. Ich bin doch immer allein, wenn du nicht da bist.
    "Rede keinen Unsinn, Claudia." Michaels Stimme klang leise und ein wenig heiser, und Claudia wünschte sich plötzlich verzweifelt, ihn zu sehen und zu berühren. "Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, den ganzen Abend schon. Ist wirklich alles in Ordnung?"
    Claudia atmete tief durch und biss sich auf die Lippe, um ja nichts zu sagen, was sie später vielleicht bereuen würde. "Mir geht es gut... Michael", versicherte sie. "Ich bin nur todmüde und wollte gerade ins Bett gehen."
    Wieder war es ruhig in der Leitung, bedrückend ruhig. Claudia konnte sich nicht erklären, warum sich Michael so merkwürdig benahm. Was war nur los mit ihm? War er vielleicht betrunken? Das wäre das erste Mal, seit sie ihn kannte.
    "Darf ich zu dir kommen?"
    Claudia blickte verblüfft auf das Telefon. Noch nie hatte seine Stimme so eigenartig geklungen, und noch nie hatte er sich auf diese Art bei ihr eingeladen.
    "Was ist los, Michael?" fragte sie misstrauisch. "Solltest du heute abend nicht bei deinem Geschäftsessen sein? Es ist erst halb zehn. Du kannst doch unmöglich schon alles abgewickelt haben."
    Claudia merkte, dass die Frage ihm unangenehm war. So unsicher hatte sie Michael noch nie erlebt.
    "Es hat nicht geklappt", sagte er schließlich.
    "Was hat nicht geklappt?"
    "Das Essen. Schau, Claudia, verdammt noch mal, ich brauche dich!" stieß er hastig hervor, um abzulenken.
    Wenn das wahr ist, dachte Claudia, ärgert er sich jetzt bestimmt über sich selbst.
    "Ich... ich vermisse dich schon den ganzen Tag. Ich komme jetzt zu dir. Ich will..."
    "Nein", unterbrach sie ihn schroff und merkte, wie überrascht er war. Mit einer Abweisung hatte er nicht gerechnet. "Ich bin müde", erklärte sie kühl. "Und ich wollte heute früh zu Bett gehen. Dann bis morgen, Michael."
    Der Hörer knallte auf die Gabel, noch bevor Michael etwas dazu sagen konnte. Claudia hatte keine Lust, sich jetzt mit ihm auseinanderzusetzen, sie konnte es einfach nicht.
    An der Tür klingelte es Sturm. Cla udia wurde aus tiefem Schlaf gerissen und hörte das vertraute, aber unerwünschte Läuten. Sie tastete im Dunkeln nach der Nachttischlampe, knipste das Licht an und sah auf den Wecker. Erst zehn Uhr, stellte sie überrascht fest. Sie musste gleich eingeschlafen sein.
    Schwerfällig kämpfte sie sich aus dem warmen Bett, zog den Bademantel über und ging an die Tür. Die Sicherheitskette war angelegt. Claudia öffnete einen Spaltbreit und spähte schläfrig hinaus.
    Michael stand draußen an den Türpfosten gelehnt, die Hände in den Hosentaschen seines schwarzen Abendanzugs. Die Krawatte hatte er abgelegt, die obersten Hemdknöpfe
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