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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Autoren: Ulrike Schweikert
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lächelnd hereinkam.
    »Wie geht es Ihnen?«
    »Ich weiß es nicht«, bekannte Isaura ehrlich. »Aber der Tee und das süße Gebäck haben meine Lebensgeister wieder geweckt. Es war eine verrückte Nacht.«
    In Erinnerung daran schüttelte sie den Kopf. Jetzt im Mor genlicht, das die Klosterzelle erhellte, kam ihr der Schre cken so unwirklich vor, und sie schämte sich ihrer kopflosen Flucht.
    »Es tut mir leid«, sagte sie zerknirscht.
    »Was denn?«, fragte Maria Anna, die sie aufmerksam betrachtete.
    Isaura stellte das Tablett zur Seite und hob die Arme. »Die ganze Aufregung, die ich unnötig verursacht habe. Hier mitten in der Nacht einfach reinzuplatzen.« Sie seufzte.
    Maria Anna zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Unsere Türen stehen für jeden offen, der unsere Zuflucht braucht«, sagte sie, »ganz egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Und Sie hatten gestern das Bedürfnis, zu uns zu kommen. Das ist gut so. Es war die richtige Entscheidung. Ich hatte Ihnen bereits gesagt, dass Sie wiederkommen würden, denn hier können Sie zu sich finden, und ich werde Ihnen dabei helfen.«
    Isaura fühlte sich nur noch verwirrter. »Wie das? Und woher wussten Sie das alles? Warum waren Sie mitten in der Nacht am Tor und haben mir geöffnet, noch ehe ich anklopfen konnte? Gehen Nonnen nicht früh zu Bett?«
    Maria Anna schmunzelte. »Ja, das ist richtig. Doch nur weil wir uns normalerweise früh zu Bett begeben, kann ich doch nicht einen Hilferuf überhören. Das wäre sehr unchristlich!«
    »Habe ich Sie denn gerufen?«, fragte Isaura leise, der die Frage dumm vorkam, doch Maria Anna nickte ernst.
    »Wie?«
    »Das werden Sie alles erfahren. Ich verspreche es Ihnen. Nur würde ich vorschlagen, dass Sie sich erst einmal frisch machen und eines unserer wundervoll modischen Gewänder anziehen, und dann machen wir beide uns auf, die Fragen zu beantworten und die Geheimnisse zu lüften, die sie so umtreiben.«
    Isaura wollte sie bestürmen, woher sie davon zu wissen glaubte und wie sie in der Lage sein sollte, Antworten für sie zu finden, doch Maria Anna verließ die Kammer und schloss die Tür hinter sich. Sie ließ nur das graue Kleid zurück, das Isaura schon einmal getragen hatte, und ein Paar Sandalen. So blieb ihr also nichts anderes übrig, als die Anweisungen der Nonne zu befolgen.
    Isaura kam gerade angekleidet aus dem Badezimmer, als Maria Anna ihr den Gang entlang entgegenkam, einen sichtlich satten und wohlig schnurrenden Kater in den Armen.
    »Hier möchte Ihnen noch jemand einen guten Morgen wünschen«, sagte sie.
    »Golondrino!«, begrüßte Isaura das Tier mit einem Anflug von schlechtem Gewissen. »Was habe ich nur wieder angestellt? Doch so, wie du aussiehst, hast du unser nächtliches Abenteuer gut überstanden.«
    Maria Anna nickte und setzte ihn auf den Boden. »Ja, das hat er, und ich denke, er kann sich noch ein wenig an unseren Klostermäusen gütlich tun, falls er noch Appetit verspürt, was ich leider bezweifeln muss. Ich habe den Eindruck, er wurde in der Küche bereits ordentlich gemästet.«
    »Ich bringe hier Ihr ganzes geordnetes Leben durcheinander«, sagte Isaura zerknirscht und streichelte den noch immer schnurrenden Kater.
    In den Augen der Nonne schimmerte der Schalk. »Ach, wenn es nur ein hungriger Kater ist, der den Schwestern ein wenig Abwechslung beschert, kann das keine so große Sünde sein. Und nun kommen Sie mit. Wir werden eine Reise in die Vergangenheit machen – zumindest im Geiste.«
    Sie setzte den Kater auf den Boden, der in Richtung Kreuzgang davonschlenderte, während Isaura der Schwester folgte, mit klopfendem Herzen und unzähligen Fragen im Kopf.
    Maria Anna führte Isaura in die Kirche. Genauer gesagt in die Familienkapelle Saldaña, die bei ihr solch beklemmende Gefühle heraufbeschworen hatte. Dass gerade dies der Grund ihres Hierseins war, gab die Nonne frei zu.
    »Ich will Sie nicht drängen, Ihre Träume oder Visionen zu beschreiben, von denen Sie an diesem Ort überfallen wurden«, wehrte sie ab. »Das ist im Moment nicht von Interesse. Wichtig ist nur, dass dies überhaupt geschah – wie schon zuvor auf dem Platz oben, wo einst der Palast stand.«
    Isaura mochte ihre verwirrenden Erlebnisse gar nicht erst leugnen. Sie spürte, dass Maria Anna ihr nicht glauben würde. Dagegen schien die Nonne keine Schwierigkeiten mit diesen seltsamen Empfindungen an sich zu haben, die Isaura immer öfter überfielen.
    »Habe ich Ihnen schon erzählt, warum mein
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