Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Karpathenschloß

Das Karpathenschloß

Titel: Das Karpathenschloß
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Innere der allen Winden offenen Kapelle setzte, fühlte er sich durch die frische Luft wie neugeboren. Durch die Risse des Kreuzgewölbes und die klaffenden Fenster zeigte der Himmel leichte, vor dem Nachtwinde dahinsegelnde Wolken. Da und dort blitzten einige Sterne, die vor dem hellen Scheine des über den Horizont aufsteigenden Mondes allmählich erblaßten.
    Jetzt handelte es sich darum, die Thür zu entdecken, die sich in der Rückwand der Kapelle befinden mußte und durch die der Baron von Gortz und Orfanik verschwunden waren. Nach schräger Ueberschreitung des Schiffes des kleinen Gotteshauses ging Franz nach der Chorhaube zu.
    Bis nach dieser sehr dunkeln Stelle drang kein Strahl des Mondes ein, und der Fuß des jungen Grafen stieß da wiederholt an die zersprungenen Grabplatten und an die Mauerbruchstücke, die aus der Dachwölbung herabgestürzt waren.
    Im äußersten Hintergrunde der Chorhaube endlich, hinter der Rückwand des Altars, fühlte Franz in einer finstern Mauernische eine morsche Thür dem Drucke seiner Hand nachgeben.
    Diese Thür führte nach einer Gallerie, die die Umfassungsmauer kreuzen mußte, wenn sie sich weiterhin fortsetzte.
    Hier waren der Baron von Gortz und Orfanik hereingekommen und wieder hinausgegangen.
    In die Gallerie gelangt, sah sich Franz von neuem in völliger Dunkelheit. Nach vielen Umwegen, die weder auf-noch abwärts führten, wußte er bestimmt, daß er sich noch in der Bodenhöhe der niederen, unterirdischen Gänge befand.
    Eine halbe Stunde nachher schien die Dunkelheit etwas abzunehmen; durch einige Seitenöffnungen der Gallerie drang unbestimmtes Dämmerlicht herein.
    Franz kam jetzt schneller vorwärts und gelangte schließlich nach einer unter der Bastion am linken Ende der Zwingmauer angelegten Kasematte.
    Im dicken Mauerwerk dieses Raumes waren schmale Schießscharten ausgespart, durch die die Strahlen des Mondes hereindrangen.
    An der entgegengesetzten Seite befand sich eine offne Thür.
    Die erste Sorge des jungen Grafen ging dahin, sich an eine jener Schießscharten zu begeben, um wenige Secunden den erfrischenden Nachtwind einzuathmen.
    Als er sich eben wieder zurückziehen wollte, glaubte er aber zwei oder drei Schattengestalten wahrzunehmen, die sich am Ende des bis zum Saume der Tannenwaldung erleuchteten Plateaus des Orgall hinbewegten.
    Franz blickte scharf hinaus.
    Wirklich liefen schon auf dem Plateau, etwas vor der Baumgrenze, einige Männer umher… gewiß die Hilfsmannschaften aus Karlsburg, die Rotzko mitgebracht hatte. Diese mochten unschlüssig sein, ob sie, in der Hoffnung, die Insassen des Schlosses zu überrumpeln, gleich in der Nacht vorgehen oder den anbrechenden Tag abwarten sollten.
    Franz mußte sich den schlimmsten Zwang auferlegen, nicht nach Rotzko zu rufen, der ihn gewiß gehört und seine Stimme erkannt hätte. Ein solcher Schrei hätte aber bis zum Wartthurm dringen können, und ehe dann die Polizei die Mauer erstiegen, würde Rudolph von Gortz Zeit genug haben, seinen verderbenbringenden Apparat in Thätigkeit zu setzen und selbst durch den Tunnel zu entfliehen.
    Franz gelang es, sich zu beherrschen und von der Schießscharte zurückzuziehen. Dann durchmaß er die Kasematte, schritt durch die Thür und folgte der von hier aus weiterführenden Gallerie.
    Fünfhundert Schritte von deren Eingang stieß er auf eine Treppe, die im Innern einer starken Mauer verlief.
    Nun mußte er wohl glauben, endlich an dem in der Mitte des Schloßbaues aufragenden Wartthurme zu sein.
    Diese Treppe konnte aber unmöglich den Hauptaufgang nach den verschiedenen Stockwerken bilden. Sie bestand nur aus einer Reihe kreisförmiger Stufen, die sich wie die einzelnen Gänge einer Schraube in engem finstern Rundschachte emporwanden.
    Franz glitt ohne Geräusch hinan und lauschte. Noch vernahm er keinen Laut, und nach weiteren zwanzig Stufen stand er auf einem größeren Treppenabsatze.
    Von hier aus führte eine Thür nach der Terrasse, die das erste Stockwerk des Thurmes umgab.
    Franz schlüpfte längs dieser Terrasse hin, immer bemüht, sich im Schatten ihrer Brustwehr zu halten, und sah von hier nach dem Plateau des Orgall hinaus.
    Aus dem Tannenwalde kamen zwar noch mehr Leute hervor, nichts wies aber darauf hin, daß sie sich der Burg noch weiter nähern wollten.
    Entschlossen, den Baron von Gortz aufzusuchen, ehe dieser durch den Tunnel entfliehen konnte, ging Franz um das ganze Stockwerk herum und traf zuletzt auf eine andere Thür, hinter der die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher