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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert
Autoren: Richard Morgan
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hat sie schon seit langem damit aufgehört, ihrer Tochter anders als mit Gekreisch oder Kauderwelsch zu antworten.
    Er zottelt weiter dahin, wartet darauf, dass ihre Stimme verblasst wie die anderen. Er kann nichts tun. Er kann für keinen dieser Menschen etwas tun. Der Sumpf erstreckt sich in alle Richtungen bis zum Horizont. Überall unter seinen Füßen ist Wasser. Und so lange Wasser vorhanden ist, ziehen die Wurzeln
Nahrung, und so lange die Wurzeln Nahrung ziehen, wird ihr aufgepfropftes Leben andauern.
    Seethlaw hat es ihm erzählt.
    Ist das denn schlimmer, hatte ihn Seethlaw in Ennishmin gefragt, als die Käfige am Osttor in Trelayne, wo eure Übeltäter qualvoll tagelang hängen, als abschreckendes Beispiel für die Massen?
    Er schien Ringils Entsetzen tatsächlich nicht zu verstehen.
    Seethlaw ist jetzt irgendwo da draußen. Ringil hört ihn gelegentlich vom Horizont her heulen. Er hält mit ihm Schritt.
    Er zittert vor Kälte und wegen der Spuren der Erinnerung. Er setzt einen Fuß vor den anderen und fällt nicht. Er starrt den Horizont vor sich an. Die Verletzung an Auge und Gesicht ist anscheinend verheilt, aber zu was, das weiß er nicht so genau. Er erinnert sich daran, vor irgendeiner unmessbaren Zeit seine Hand auf die Verletzung gelegt zu haben, entsinnt sich jedoch nicht, was seine Finger berührten. Und jedes Mal, wenn seine Hand jetzt wieder hochzuckt, verhindert irgendetwas in ihm, dass sie sich auch tatsächlich hebt.
    Er ist waffenlos, ihm ist kalt.
    Aber die Kälte treibt ihn voran.
     
    Nicht zum ersten Mal bleibt er stehen und sackt erschöpft zusammen. Er fällt in dem flachen schlammigen Wasser auf Knien in das schmatzende Sumpfgras.
    Zeit.
    Sie kommt erneut, Risgillens Rache. Beim letzten Mal hat er den bleiernen Himmel angeschrien. Es hat nichts genutzt. Jetzt stiert er bloß die Köpfe gleich in der Nähe an, den Blick unfokussiert, und er versucht, ihren Augen auszuweichen.
    Seethlaws Geheul umkreist ihn, rückt näher. Er weiß, er wird ihn noch nicht sehen, aber …

    Er bricht auf der Seite zusammen und schluchzt wie ein Kind. Er sieht die Menhire um ihn her wachsen; türmende Schildwachen vor einem grauen Himmel.
    Er rollt sich zusammen und erwartet seinen alten Geliebten.
    Rrrrringillllll …
    Bei dem Laut fährt er zusammen. Aber es ist zu spät, zu spät. Er sieht eine verschwommene, bleiche Gestalt, die durch den Spalt zwischen den Steinen hereinkommt, und Seethlaw, oder was von ihm geblieben ist, tobt über ihm wie ein tollwütiger Hund. Ringil wehrt ihn schwächlich ab, boxt, tritt, kreischt aus einer aufgerissenen Kehle. Kurze Blicke auf das Gesicht des Dwendas, das grässlich ist, so zerhackt. Kieferknochen klaffen in der Masse, ein Auge ist verschwunden. Er knurrt und reißt an Ringils Beinen, durchtrennt Sehnen. Er beißt Ringils Finger nacheinander an den Knöcheln ab, dann das, was von seinen umherschlagenden, verstümmelten Händen noch übrig ist. Blut quillt aus den knochigen Stümpfen, aber Ringil hat bereits begriffen, dass er nicht ohnmächtig werden kann, noch nicht. Er zieht sich in sich selbst zurück, blutig und zusammengekrümmt wie ein Fötus, der vorzeitig aus dem Mutterleib gerissen wurde.
    Seethlaw tollt umher, schnappend und knurrend, manchmal auf zwei Beinen, manchmal auf vier. Der Dwenda hat die Fähigkeit zu artikuliertem Sprechen verloren, er ist eine animierte Schale, eine leere Hülle aus fremder Wut, fremdem Hunger und Hass.
    Als Gil schließlich nichts mehr hat, um Widerstand zu leisten, keine Schreie mehr ausstoßen kann, rückt er immer näher und reißt an Ringils Geschlechtsteil und Bauch. Vergräbt den missgestalteten Kopf in Ringils Eingeweiden und arbeitet von innen heraus an seinem Brustkorb, zerrend und schnaubend.

    Hebt eine blutige Schnauze und geht, endlich, Ringil an die Kehle.
    Wilder Plagegeist, ein einziges, gnädiges Knirschen.
    Der Schmerz verschwindet wie erlöschendes Lampenlicht; oben ein grauer Himmel, der sich schwarz färbt.
     
    Aber jenseits des Todes gibt es keine Ruhepause. Ringil erwacht und fällt durch dicke graue Wolle von der Farbe des Himmels
    Fällt ein weiteres Mal, wiedergeborenen und um sich schlagend, in den Sumpf.
    Und so beginnt alles von vorn.
     
    Er zuckt. Er bebt, er umklammert wimmernd schreckliche Wunden, die er nicht mehr hat. Es kostet ihn seine ganze Kraft, sich aus seiner Fötushaltung zu lösen.
    In der Ferne ein Geräusch, wie eine Glasfee, die meilenweit entfernt von einer Leiter
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