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Das Kadett

Das Kadett

Titel: Das Kadett
Autoren: Lois McMaster Bujold
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wir das Schlimmste als erstes hinter uns … »Er ist oben, oder?«
    »In seinen Räumen. Allerdings hat er heute morgen einen Spaziergang im Garten gemacht was mich sehr gefreut hat.«
    »Hm.« Miles nahm die erste Stufe.
    »Mit dem Lift«, sagte Bothari.
    »Ach, zum Teufel! Es ist nur eine Treppe.«
    »Der Chirurg hat gesagt, du sollst Stufen möglichst meiden.« Miles’ Mutter schenkte Bothari ein dankbares Lächeln, das er mit einem dahingemurmelten ›Mylady‹ quittierte. Miles zuckte missmutig die Achseln und ging zum hinteren Teil des Hauses.
    »Miles«, sagte seine Mutter noch, »Sei nicht … naja, er ist sehr alt und nicht gesund und er musste seit Jahren zu niemandem mehr höflich sein – du musst ihn nehmen, wie er eben ist, ja?«
    »Du weißt doch, dass ich das tue.« Miles lächelte überlegen, um zu beweisen, wie locker er alles nehmen würde. Ihre Lippen erwiderten das Lächeln, doch ihre Augen blieben ernst.
    Miles traf auf Elena Bothari, die gerade die Zimmer seines Großvaters verließ. Der Leibwächter grüßte seine Tochter mit stummem Nicken, wofür sie ihm eines ihrer ziemlich seltenen scheuen Lächeln schenkte.
    Zum tausendsten Mal staunte Miles, wie ein so hässlicher Mann zu einer so schönen Tochter kommen konnte. Alle seine Züge waren auch in ihrem Gesicht vorhanden, aber ins Schöne verwandelt. Elena war achtzehn und mit einem Meter achtzig auch groß wie ihr Vater. Aber während er drahtig und gespannt wie eine Bogensehne war, wirkte ihre schlanke Figur pulsierend und lebenssprühend. Seine Nase war wie ein Raubvogelschnabel, sie hatte ein edles Adlerprofil. Sein Gesicht war zu schmal, ihres vollkommen aristokratisch, wie das eines Windspiels oder Barsois. Vielleicht machten die Augen den Unterschied, ihre waren dunkel, glänzend und aufgeweckt doch ohne die ständige, niemals lächelnde Wachsamkeit wie bei ihrem Vater. Oder es lag am Haar. Seins wurde grau und war militärisch kurz geschnitten, ihres dagegen war schwarz und glänzend und fiel lang herab. Ein Wasserspeier und eine Heilige – beide vom selben Bildhauer gemacht –, die sich über dem Portal einer alten Kathedrale anblickten.
    Miles riss sich aus seinen Träumen. Elenas Blick traf ihn, sofort verschwand ihr Lächeln. Er richtete sich auf und brachte trotz seiner Erschöpfung ein falsches Lächeln zustande. Damit hoffte er, auch sie wieder zum Lächeln zu bringen. Wirklich nicht schon bald, Sergeant?
    »Gut, ich bin froh, dass du da bist«, begrüßte sie ihn. »Es war heute morgen einfach grauenvoll.«
    »War er sehr missgelaunt?«
    »Nein, fröhlich! Er hat Strato mit mir gespielt und überhaupt nicht aufgepasst. Weißt du, dass ich beinahe gewonnen hätte? Er hat seine Kriegsgeschichten erzählt und dauernd von dir geredet – hätte er einen Plan deiner Hindernisstrecke gehabt, hätte er Stecknadeln hineingesteckt, um deine Fortschritte zu markieren … Ich muss doch nicht etwa bleiben, oder?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    Elena lächelte erleichtert und ging den Korridor hinunter. Dann warf sie ihm noch einen besorgten Blick über die Schulter zu.
    Miles holte tief Luft und trat über die Schwelle des Generals, des Grafen Piotr Vorkosigan.

 
KAPITEL 2
     
    Der alte Mann war nicht im Bett. Rasiert und angezogen saß er in einem Sessel und blickte nachdenklich durch das Fenster in den Garten hinter dem Haus. Er runzelte die Stirn, als er bei seiner Meditation gestört wurde, doch als er Miles sah, lächelte er.
    »Ah, komm her, mein Junge …« Er deutete auf den Stuhl den Elena wohl gerade frei gemacht hatte. Dann mischte sich Verblüffung ins Lächeln des Alten. »Bei Gott, habe ich etwa einen Tag irgendwie verloren? Ich dachte, heute wärst du beim Einhundert-Kilometer-Rennen, den Mount Sencele hinauf und wieder herunter.«
    »Nein, Großvater, du hast keinen Tag verloren.« Miles ließ sich langsam auf dem Sessel nieder, Bothari brachte einen Schemel und deutete auf die Beine, Miles wollte sie heben, aber diese Anstrengung wurde durch einen besonders schlimmen Schmerzanfall zunichte gemacht.
    »Ja, leg sie hoch, Bothari«, gab Miles nach. Bothari legte die Beine in den medizinisch richtigen Winkel und zog sich – strategisch klug, wie Miles fand – zur Tür zurück. Der alte Graf beobachtete diese Pantomime, und langsam dämmerte ihm die schmerzliche Gewissheit.
    »Was hast du bloß gemacht, Junge?« Er seufzte.
    Bringen wir es schnell und schmerzlos hinter uns – wie eine Enthauptung … »Gestern bin ich
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