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Das Kadett

Das Kadett

Titel: Das Kadett
Autoren: Lois McMaster Bujold
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von einer Mauer auf der Hindernisstrecke gesprungen und habe mir beide Beine gebrochen. Damit habe ich mir jede Chance beim körperlichen Test versaut. In der Theorie – naja, das ist jetzt unwichtig.«
    »Und jetzt bist zu nach Hause gekommen.«
    »Ja, jetzt bin ich nach Hause gekommen.«
    »Aha.« Der alte Mann trommelte mit den langen knochigen Fingern auf die Armlehne »Aha.« Er rutschte auf dem Sessel hin und her. Die Lippen wurden schmaler. Er starrte aus dem Fenster und sah Miles nicht an. Wieder trommelte er mit den Fingern »Daran ist nur dieser verdammte schleichende Demokratismus schuld«, rief er quengelig. »Ein Haufen Blödsinn von draußen auf unseren Planeten importiert! Dein Vater hat Barrayar keinen Dienst erwiesen, als er das unterstützte. Als Regent hatte er die Gelegenheit, es auszurotten – aber die hat er nutzlos verstreichen lassen, wenn du mich fragst …« Kurze Pause. »Verliebt in außerplanetarische Ideen und außerplanetarische Weiber«, fügte er leise hinzu. »Ich gebe deiner Mutter die Schuld, das weißt du. Dauernd macht sie Propaganda für diesen Mist von der Gleichheit aller …«
    »Also, wirklich«, widersprach Miles. »Mutter ist das unpolitischste Wesen, das du dir vorstellen kannst.«
    »Gottseidank, sonst würde sie heute Barrayar regieren. Ich habe noch nie gesehen, dass dein Vater ihr widersprochen hätte. Na schön, es hätte schlimmer kommen können …« Der alte Mann wand sich unter seinen seelischen Schmerzen ebenso wie Miles unter seinen körperlichen. Miles lag im Sessel und gab sich keine Mühe, sich oder die Sache zu verteidigen. Er wusste, dass der Graf in kurzer Zeit sich selbst den Wind aus den Segeln nehmen würde, da er immer auch gleich die Gegenargumente vorbrachte.
    »Ja, ich nehme an, man muss sich ein wenig der Zeit beugen. Das müssen wir alle. Jetzt sind die Söhne von Ladenbesitzern großartige Soldaten. Gott weiß, ich habe da so einige in meiner Zeit befehligt, Hab ich dir je von dem Burschen erzählt, der mit mir bei dem Kampf gegen die Cetagander oben in den Dendarii-Bergen hinter Vorkosigan Surleau war? Der beste Partisanenleutnant, den ich je hatte. Damals war ich nicht viel älter als du. Er tötete in jenem Jahr mehr Cetagander … Sein Vater war Schneider gewesen. Ein Schneider, als man noch alles mit der Hand zuschnitt und nähte, tief über die Feinheiten gebeugt …« Der alte Mann seufzte vor Kummer, weil diese Vergangenheit unwiederbringlich verloren war. »Wie hieß der Bursche nur …«
    »Tesslev«, half ihm Miles. Er hob die Augenbrauen und schaute nachdenklich auf seine Beine. Vielleicht hätte ich ein Schneider in jener Zeit sein sollen. Dazu bin ich gebaut. Aber die sind jetzt ebenso überflüssig wie Grafen.
    »Tesslev, ja, richtig. Er starb auf grauenvolle Art, als sie seine Patrouille erwischten. Tapferer Mann, tapferer Mann …« Schweigen herrschte eine Zeitlang zwischen ihnen.
    Dann sah der alte Graf einen Strohhalm und griff danach. »Wurde der Test auch fair durchgeführt? Heutzutage weiß man das nie so genau – irgendein Prolet mit persönlichen Aggressionen …«
    Miles schüttelte den Kopf und bekämpfte sehr schnell diese phantastische Möglichkeit, ehe sie blühen und gedeihen konnte. »Sehr fair. Es lag an mir. Ich habe mich nervös machen lassen und mich nicht mehr auf meine Aufgaben konzentriert. Ich bin durchgefallen, weil ich nicht gut genug war. Punktum.«
    Der alte Mann verzog aus mürrischer Ablehnung die Lippen. Wütend ballte er die Hand zur Faust und öffnete sie hoffnungslos wieder. »Früher hätte niemand gewagt, dein Recht in Frage zu stellen …«
    »Früher hätten andere Männer mit ihrem Leben für meine Unfähigkeit bezahlen müssen. Ich finde, dass das jetzige System besser ist«, sagte Miles leise.
    »Naja …« Der alte Mann blickte leer durchs Fenster hinaus. »Naja – die Zeiten ändern sich, Barrayar hat sich verändert. Auch ich habe mich um Welten verändert zwischen der Zeit, als ich zehn und zwanzig war. Und noch einmal zwischen zwanzig und vierzig. Nichts war mehr dasselbe – und dann noch einmal zwischen vierzig und achtzig. Diese heutige schwache, verwässerte Generation – sogar ihre Sünden sind verwässert. Die alten Piraten aus der Zeit meines Vaters hätten sie allesamt zum Frühstück verspeist und ihre Knochen bis zum Mittagessen verdaut … Weißt du, dass ich der erste Graf Vorkosigan seit neun Generationen sein werde, der im Bett stirbt?« Er machte eine Pause und
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