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Das Jobinterviewknackerbuch

Das Jobinterviewknackerbuch

Titel: Das Jobinterviewknackerbuch
Autoren: Anne Jacoby , Florian Vollmers
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außergewöhnlicher Streitfall vor dem Landgericht Stuttgart sorgte im Jahr 2010 für Aufsehen in deutschen Personalabteilungen: Eine Bewerberin war nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden und hatte daraufhin ein Fensterbauunternehmen wegen Diskriminierung verklagt. Der Grund: Die Frau aus Ostdeutschland hatte mit der Absage des Arbeitgebers ihre Bewerbungsmappe mit der Post zurückerhalten. Auf den Unterlagen stand in fetter Schrift das Wort »OSSI« geschrieben – daneben prangte ein dickes Minus-Zeichen. Bei ihrer Forderung nach Schadenersatz berief sich der Anwalt der abgelehnten Bewerberin auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – ein Gesetz, das die Arbeit der Personaler und ihren Umgang mit Kandidaten in Vorstellungsgesprächen scheinbar unmerklich und doch entscheidend verändert hat. Doch dazu später mehr.
    Im Jahr 2006 trat das AGG in Kraft. Zuvor hatte es jahrelang für Diskussionen gesorgt, denn seine Wirkungskraft in der Praxis gilt – um es vorsichtig auszudrücken – als umstritten. Genauer gesagt: Personaler halten das AGG für blanken Schwachsinn. Sie meinen sogar, dass es Bewerbern schadet. Warum? Blicken wir zunächst in den genauen Wortlaut des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes: »Ziel ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.« In der Praxis hat das unter anderem zur Folge, dass in Stellenausschreibungen verschwiegen wird, ob man sich eher eine Frau oder einen Mann für den zu besetzenden Job wünscht. Es gibt keine Angaben zum Alter oder dazu, was man körperlich leisten können muss, um einen Job erledigen zu können. Um sich nicht den Mund zu verbrennen, sagen die Arbeitgeber deshalb: »Bei uns haben alle die gleichen Chancen!« Wir wissen, dass das eine AGG-Notlüge ist. Denn am Ende picken sie sich doch genau jene Bewerber heraus, die sie haben wollen.
    Eine Personalleiterin verriet uns im Gespräch, dass ihr im Voraus selbstverständlich klar sei: »Diesen Job kann nur eine Frau machen!« |29| oder »Ein Mann wird dieser Unternehmensabteilung gut tun!«. Aber öffentlich zugeben würde sie diese Überlegungen nie. Die Entscheidung fällt sie dann aber doch häufig nach Geschlecht oder dem Alter eines Bewerbers. Früher habe sie abgelehnten Kandidaten gerne mal einen nützlichen Tipp mit auf den Weg gegeben – à la »Sie sind einfach noch zu jung für diese Stelle. Probieren Sie es doch in fünf Jahren noch einmal.« Heute hält die Personalleiterin lieber den Mund – wegen des AGG. Und der abgelehnte Bewerber ist auch nicht schlauer als vorher. Dabei hätte ihm doch der Hinweis auf den Grund einer Ablehnung für das nächste Job-Interview eine große Hilfe sein können. Die Personalerin sagt ganz offen: »Das AGG schadet Bewerbern. Denn wir können ihnen kein ehrliches Feedback geben.«
    Zurück zum »Ossi«-Fall am Landgericht Stuttgart: Der Personaler des Fensterbauers hatte sich den Mund schon halb verbrannt, als er die Herkunft der Bewerberin mit einem Minus auf deren Unterlagen dokumentiert hatte. Der entscheidende Fehler war übrigens nicht die entsprechende Notiz, sondern die Tatsache, dass er sie – offenbar versehentlich – an die Bewerberin auch noch zurückgesandt hatte! In der Schadensersatzklage aufgrund von Diskriminierung einigten sich die Parteien vor Gericht letztlich mit einem Vergleich. Ungeklärt blieb dabei die Frage – übrigens bis heute –, ob die Tatsache, aus Ostdeutschland zu stammen, schon mit einer eigenständigen Ethnie vergleichbar ist – und damit eben auf »Ossis« das AGG überhaupt angewendet werden kann. Bizarrer geht es wohl nicht.
    Klar ist: Um den Vorwurf der Diskriminierung und Schadenersatzklagen zu vermeiden, sind Unternehmen deshalb heute vorsichtiger im Umgang mit Bewerbern als noch in früheren Zeiten. Abgelehnte Bewerber erfahren nicht mehr ohne Weiteres, warum sie einen Job nicht bekommen. Kritische Angaben, zum Beispiel zu Behinderungen, müssen von Bewerbern heute nicht vorab geleistet werden. Wo früher im Vorstellungsgespräch schon mal eine Bemerkung über das Outfit eines Kandidaten üblich war, konzentriert man sich stärker darauf, welche Arbeitsleitung der jeweilige Kandidat zugunsten des Arbeitgebers verlässlich erbringen kann.
    |30| Obwohl das AGG einerseits die Methodik der Vorstellungsgesprächsführung
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