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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
Autoren: Gunter Gerlach
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Hände, unter ihnen die zwölfjährige Catharina Clarabella von Weinstein, Tochter des Grafen Weinstein, auf der Reise zu englischen Verwandten (... daß es sich hier um die Winstons handelte, angeblich der englische Name für Weinstein, zu deren Nachkommen Winston Churchill zählte, ist nur ein ebenso beliebter wie dümmlicher Scherz des Gutsbesitzers). Die Piraten durchsuchten das Schiff, doch ihre Information, es habe Gold an Bord, erwies sich als falsch. Cornelius van Grunten ließ in seiner Wut die gesamte Besatzung töten, ebenso alle Adligen bis auf Catharina Clarabella und ihre Begleiterin Sophie, eine Freifrau von Wachenberg. Diese übernahm die schwierige Aufgabe, dem Grafen die Bedingungen für die Freilassung seiner Tochter zu überbringen. Auf einer aus dem Reisegepäck der Damen geraubten Karte von den gräflichen Ländereien hatte der Pirat das Herzensacher Tal eingekreist. Dieses Tal war die Gegenleistung für die Unversehrtheit Catharinas. Tatsächlich nahm der Graf die Besitzübertragung in aller Form vor, jedoch mit dem Zusatz, daß beim Ausbleiben eines direkten Nachkommens der Familie van Grunten der gesamte Besitz an die gräfliche Familie zurückfalle. Der Graf muß sich bei der Abfassung dieses Vertrages besonders raffiniert vorgekommen sein. Heutige Historiker, wie der Frankfurter Michael Leibrandt, sind allerdings der Meinung, er habe damit das Todesurteil für alle Weinsteins unterzeichnet. Die Schlußfolgerung, die van Gruntens hätten an den seltsamen Todesfällen und am mysteriösen Verschwinden der gräflichen Familienmitglieder einen mörderischen Anteil, liegt nahe, ist jedoch letztlich nicht beweisbar.
    Cornelius van Grunten jedenfalls kam nicht mehr in den Genuß seines Landbesitzes, dafür in den der Freifrau von Wachenberg. Die Unterhändlerin heiratete ihn (was zu Spekulationen Anlaß geben sollte) und hat ihm sicher das idyllische Herzensach wenigstens beschrieben. Wahrscheinlich hatte der Seemann es als Alterssitz auserkoren. Der Pirat wurde 1772 in Lissabon bei einem Landgang von einem Unbekannten erstochen. Die Spanier waren wohl seines Treibens in ihrem Namen müde gewesen und hatten einen Mörder gedungen. Sein Sohn Hendrik, beim Tod des Vaters gerade mal acht Jahre alt, wurde ebenfalls Seemann und setzte die Tradition seines Vaters fort. Die Meinung seiner Mutter Sophie dazu ist nicht überliefert. Mit achtundvierzig Jahren kehrte er zusammen mit einer wilden Horde aus der Karibik zurück und nahm das Tal in Besitz. (War die Mutter dabei?) 1812 baute er als erstes einen Wehrturm, der heute nicht mehr steht, und 1824 ein befestigtes Gutshaus.
    Auch wenn die Familie van Grunten es im letzten Jahrhundert gern anders darstellte, die Geschichte des Dorfes hatte lange vor dieser Zeit begonnen. Vermutlich lag bereits eine Germanensiedlung in dieser Biegung des Flusses. Die erste urkundliche Erwähnung stammt von 1612.
    Jakob Finn war noch nicht weit gegangen, als er plötzlich auf der anderen Straßenseite, in einem kleinen Birkenwäldchen, eine Bewegung wahrnahm. Ein Tier, vielleicht ein Reh, strich dort herum. Dann sah er zwischen den Blättern ein Stück gelbbraunes Fell, und gleich darauf trat ein etwa hüfthoher, kurzhaariger Hund unbestimmbarer Rasse zwischen den Birken hervor, setzte sich an den Straßenrand und beobachtete ihn mit bernsteinfarbenen, freundlichen Augen. Der Student schnalzte mit der Zunge, was den Hund allerdings nur veranlaßte, den Kopf ein wenig höher zu heben und ihn spöttisch anzusehen. Jakob Finn erinnerte die Haltung an eines seiner Kuscheltiere. Seine Eltern hatten ihn schon früh in ein deutsches Internat geschickt, und so war, bis in die Pubertät hinein, einer seiner wichtigsten Gesprächspartner ein abgewetzter Teddybär gewesen.
    Kurz nach dem Hund trat eine junge Frau aus dem Wald, die er im ersten Moment für einen Jungen hielt. Sie hatte sich geschickter und geräuschloser in dem Wäldchen bewegt als das Tier. Ihr hing das blonde, kinnlange Haar in dicken Strähnen übers Gesicht. Sie trug eine derbe blaue Bauernjacke über einem ausgeblichenen grünen Hemd. Die weite, ausgefranste Hose wurde mit einem Strick zusammengehalten. Die Sachen waren keineswegs sauber, so daß Jakob an eine Landstreicherin denken mußte, doch zugleich schien es eine Art Kostümierung zu sein.
    »Hallo«, rief er. Hund und Mädchen beobachteten ihn reglos und stumm.
    »Ich habe eine Panne«, versuchte er seine Anwesenheit auf der Straße zu erklären und wies mit
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