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Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Titel: Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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Motor gezeigt, der in einer Ecke verstaubt. Meine Mutter stand die ganze Zeit mit großen Augen daneben, aber sobald sie konnte, hat sie Carsten ganz verliebt und stolz umarmt. Sie sind wie Turteltauben. Und das nicht nur auf den Kirchtürmen, sondern auch auf dem Boden, hier mitten im Leben.
    Ob sie noch ein Kind kriegen? Dann wären wir sechs. Das wäre was.
    Und wieder schmusen sie! Mella steht da drüber und verdreht nur manchmal die Augen. Aber ich könnte dazwischengehen! Richtig wütend werde ich dann. Sind wir denn ganz und gar Nebensache? Sogar Maria haut mit dem Löffel auf den Tisch, wenn die beiden sich wieder verliebt aneinanderkuscheln. Ich bin auch noch ein Kind! Jawohl! Und wie.
    Das mit der Patentante ist zum Glück nicht auch noch aufgetischt worden. Ich weiß ja nicht, ob ich als Kind schon Patentante werden will. Und ob ich das überhaupt kann. Was soll das überhaupt sein? Ich meine, die liebe Tante Lina habe ich noch nie als Patentante wahrgenommen. Welche Aufgaben hat man da eigentlich? Ich könnte das tatsächlich die nette Frauenstimme am Pfarramtstelefon fragen: »Hier spricht Tine. Ich soll Patentante werden und weiß nicht, was das ist.« Na ja, lieber nicht.
    Morgen muss ich erst mal das Eine hinter mich bringen. Das ist genug.
    Ich rufe an. Die Frau nennt ihren Namen, ich meinen. Dann sage ich, was ich schon mehrmals geübt habe: »Meine Omi hat gesagt, dass ich Ihnen was erzählen kann, was ich sonst niemand erzählen kann.« Was soll ich auch anderes sagen? Ich finde meine Lösung genial. Und sie?
    Sie sagt einfach: »Ja, da hast du recht.« Mehr kommt nicht.
    »Kann ich mal vorbeikommen?«, traue ich mich weiter vor.
    »Ja, gern. Wann willst du denn?«
    »Äh, am besten gleich.« Ich atme erleichtert auf. Jetzt ist sie am Zug.
    »Heute noch?«
    »Ja.«
    »Dann ist es wohl sehr dringend?«
    »Ja … nein … vielleicht doch«, stottere ich. Sie klingt wirklich sehr nett und ich will das loswerden. Gestern bin ich wieder vor Manu weggelaufen. Ich kann mich auf dieses hinterhältige Geschäft mit ihr nicht einlassen. Ich habe von allen Seiten daran herumgedacht und keine Lösung gefunden. Könnte ja sein, dass sie schon heute meine Hilfe braucht, und was bitte schön soll ich dann machen? Mit meiner Familie? Mit meiner Mami? Mit meiner Wut auf Graf?
    »Gut«, reißt mich die Stimme aus meinen Gedanken. »Darfst du abends um sieben noch aus dem Haus?«
    »Nein.« Das geht nicht. Da ist bei uns Abendbrotzeit, und ich müsste allen erklären, was los ist. Das geht definitiv nicht.
    »Dann morgen? Am Nachmittag? Sagen wir, um drei?«, bietet sie mir als Nächstes an.
    Ja, das geht. Ich lass das Training ausfallen, kein Problem. Und so habe ich noch mal eine Galgenfrist, bevor ich dieser Pfarrerin gegenüberstehen muss. Ich atme auf und versuche, mich zu bedanken, aber sie ist jetzt kurzangebunden und sagt nur: »Bis morgen. Tschüss.«
    Ich sitze da und glotze vor mich hin. Was kommt da auf mich zu? Eine Welle der Fragen. Eine Welle der Wut. Eine Welle der Angst. Wenn sie nun blöd ist und mir alle Worte im Hals stecken bleiben?
    Lauter unnütze Befürchtungen. Am nächsten Tag stehe ich im Pfarramt einer jüngeren Frau gegenüber. Ist das die Pfarrerin?
    »Nimm Platz«, sagt sie und weist auf einen alten Stuhl. »Ich sage der Pfarrerin Bescheid.« Sie telefoniert kurz, dann sagt sie, ich soll die Treppe hochgehen. »Ihr Dienstzimmer ist oben. Sie erwartet dich.«
    Bisschen wie beim Arzt, finde ich und mache mich auf den Weg die hölzerne Treppe hinauf.
    Im nächsten Stock erwartet mich eine ältere Frau mit kurzen, weißen Haaren.
    »Komm rein!«, sagt sie und hält mir die Tür zu ihrem Arbeitszimmer weit auf. Ich stehe in einem Zimmer, wie ich es noch nie gesehen habe. Gar nicht wie beim Arzt, eher wie eine Bibliothek nach einem Wirbelsturm. Ein Durcheinander aus hunderten von Büchern, Papieren, Bildern, Schnickschnack. Ein Laptop, Drucker, alles vom Feinsten. Ein großer Schreibtisch, ein kleiner, runder Tisch mit drei Sesseln. Sie zeigt auf einen und ich setze mich.
    »Willst du einen Tee? Oder lieber Wasser oder Saft?«
    »Tee.«
    »Schwarz oder grün?«
    »Schwarz.«
    Sie behandelt mich wie eine Erwachsene. Sie verschwindet, wahrscheinlich geht sie in die Küche. Ich bleibe ganz allein in diesem Zimmer zurück. Mir ist mulmig und zugleich fühle ich mich sehr tapfer. Auf dem Tischchen stehen eine Zuckerdose und eine Kerze in einem Keramikkerzenständer. Es gefällt mir hier. Ich
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