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Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Titel: Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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Im Bad putzt sie mit einem Lappen an meiner Hose herum. Ich spüre die wohltuende Kühle.
    »Wovor hast du Angst?«, fragt sie mich. »Wirst du von jemand am Telefon bedroht?«
    »Omi!« Ich hocke mich auf den Wannenrand, sie lehnt sich gegen die Spiegelwand mir gegenüber. »Ich habe ein Geheimnis. Das heißt, nicht ich, sondern eine Freundin. Ich kann es niemand erzählen. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Du kannst es niemand erzählen und brauchst aber jemand, dem du es erzählen kannst?«
    »Ja, so sieht es aus.«
    »Ich falle wohl aus?«
    »Ja.« Das ist eine gemeine Antwort, aber es ist wahr. Ich kann es ihr nicht erzählen. Ich weiß nicht, was dann wäre. Ich nehme an, dass die Erwachsenen etwas unternehmen müssen, wenn sie von der Geschichte erfahren, oder?
    »Gibt es jemanden, dem ich was richtig Kompliziertes erzählen kann, ohne dass der was unternehmen muss?«
    »Wie meinst du das?«
    »Jemand, der ein Geheimnis bewahren kann. So was wie ein echtes schweigendes Grab.«
    Ich will Manu nicht unter Druck setzen. Ich will sie nicht ausliefern. Ich will sie nicht verraten. Ich bin ihre Freundin, und eine Freundin lässt eine Freundin nicht im Stich. Ich will ihr helfen, irgendwie da rauszukommen. Obwohl sie die Hilfe gar nicht will. Ich will das auch loswerden und ich will mich aus der Abmachung befreien.
    Aber das ist der zweite Schritt, der erste geht vor. Ich hoffe allerdings sehr, dass mir das lebendige schweigende Grab auch bei der zweiten Frage helfen kann.
    »Wenn das so ist, dann gehst du am besten zu einem Pfarrer oder einer Pfarrerin«, sagt Omi. »Der kannst du sogar erzählen, dass du jemanden umgebracht hast, und sie darf und muss es nicht der Polizei weitersagen. Das nennt man Beichtgeheimnis. Sogar die Polizei darf die Pfarrerin nicht zwingen, das Beichtgeheimnis zu brechen.«
    Beim Reden sieht sie mir in die Augen. Sie versucht meine Gedanken zu lesen. Ich kann es ganz genau sehen. Sie kann das, das weiß ich. Aber diese Gedanken hier, die Sache mit Manu und Graf, die darf sie nicht rauskriegen. Ich muss mich verstellen. Ich versuche, das alles ganz tief in mir zu vergraben, damit ihre Röntgenaugen nicht rankommen.
    Meine Hose trocknet langsam. Der Schmerz ist fast ganz verschwunden. Wie von ganz weit weg, wie aus einem Traum, frage ich: »Wo finde ich einen Pfarrer oder eine Pfarrerin?«
    »Im Pfarramt.«
    »Und wo finde ich das?«
    »Wir können zusammen im Telefonbuch nachsehen. Es gibt bestimmt ein Pfarramt in der Nähe.« Omi ist kurz angebunden. Ich nehme ihr das nicht übel, schließlich habe ich sie gerade ziemlich abfahren lassen. Aber ich bin so froh, dass sie eine Lösung gewusst hat.
    Ich stehe auf und umarme sie ganz lange. »Danke«, sage ich mehrmals, streichle über ihren krummen Rü cken und atme ihren Duft am Hals ein. Ich habe keine Ahnung, ob ich nun wirklich diesen ganzen Mist klären kann, aber ich habe wenigstens einen Weg, den ich ausprobieren will.
    »Wenn du da hingehst, meine Liebe, kannst du ja gleich mal nach deiner Taufurkunde fragen.«
    Ich lasse sie los und rücke ein Stück ab. Warum fängt sie jetzt auch noch damit an? Das wird mir alles zu viel! Sie sieht mich einfach nur mit ihrem ruhigen Blick an.
    »Bin ich dir jetzt zu nahe getreten?«, fragt sie dann. »Das wollte ich nicht. Ich dachte nur, du könntest zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen …«
    »Aber Omi, meine Sache hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit einer Fliege.« Mir gehen die Tierbilder auf den Keks. »Und außerdem ist die Vorstellung, dass ich zu einem Pfarrer gehen soll, für mich schon schrecklich genug. Da kann ich unmöglich auch noch an meine Taufurkunde denken, Omi!«, schreie ich fast. Mir wird langsam klar, was mir da bevorsteht.
    »Kindchen!« Meine Omi kommt näher an mich heran und streichelt mein Gesicht. »Du kannst doch auch den Carsten fragen, ob er dir hilft. Ich meine, vielleicht weiß er einen Pfarrer oder eine Pfarrerin, die in Ordnung ist. Dann ist der Weg nur noch halb so schwer. Wollen wir ihn fragen?«
    »NEIN!« Ich habe das Gefühl, der Boden unter meinen Füßen wird weggezogen. »DAS GEHT NIEMAND ETWAS AN!«
    »Gut.« Jetzt ist sie, glaube ich, doch ein bisschen böse. »Das muss eine ernste Sache sein«, sagt sie. »Vielleicht kannst du mir später davon erzählen. Aber ich habe auch ein Anliegen und das darf ich auch haben.« Sie klingt jetzt sehr bestimmt. »Wenn Maria getauft wird, braucht sie Patentanten und Patenonkel. Und ich habe Carsten
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