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Das Jahr der Krisen

Das Jahr der Krisen

Titel: Das Jahr der Krisen
Autoren: Philip K. Dick
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Innenstadt von Philadelphia, auf den Landeplatz der Jet-Kopter, die Ströme von Autos, und die Fußgängermassen kamen und gingen, in jedes hochragende Gebäude, das in Sicht war, hinein und heraus. »Ich denke von Zeit zu Zeit«, sagte Heim mit leiser Stimme, »daß du nur deshalb meinst, sie sei zum Untergang verdammt, weil sie einen Neger nominiert hat und ihn vielleicht wählt; es ist eine Art, dich selbst zu demütigen.«
    »Nein«, sagte Briskin mit Ruhe; sein langes Gesicht blieb gelassen.
    »Ich werde dir erzählen, was du in deiner Rede heute nacht sagen sollst«, sagte Heim, den Rücken Briskin zugewandt. »Zuerst beschreibst du noch einmal deine Beziehung zu Frank Woodbine, weil die Leute auf Raumforscher stehen; Woodbine ist ein Held, viel mehr als du oder sonstwer. Du weißt, dieser Mann, gegen den du antrittst. Der SKD-Amtsinhaber.«
    »William Schwarz.«
    Heim nickte übertrieben. »Ja, du hast recht. Dann, nachdem du über Woodbine gefaselt hast – und wir ein paar Schnappschüsse gezeigt haben, wie du und er auf verschiedenen Planeten beieinander steht – dann machst du einen Scherz über Dr. Sands.«
    »Nein«, sagte Briskin.
    »Warum nicht? Ist Sands eine heilige Kuh? Man kann ihn nicht antasten?«
    Jim Briskin sagte langsam, gewissenhaft: »Weil Sands ein großer Arzt ist und in den Medien nicht dermaßen lächerlich gemacht werden sollte, wie das im Moment der Fall ist.«
    »Er hat deinem Bruder das Leben gerettet. Indem er für ihn gerade noch zur rechten Zeit eine frische neue Leber gefunden hat. Oder er hat deine Mutter gerettet, gerade als …«
    »Sands hat Hunderte, ja Tausende von Leuten gerettet. Darunter sind eine Menge Farbige. Ob sie nun in der Lage waren zu zahlen oder nicht.« Briskin war einen Augenblick still, und dann setzte er hinzu: »Auch seiner Frau Myra bin ich begegnet, und ich mochte sie nicht. Vor Jahren bin ich zu ihr gegangen. Ich hatte ein Mädchen schwanger gemacht, und wir wollten einen Rat wegen einer Abtreibung.«
    »Gut!« sagte Heim heftig. »Das können wir verwenden. Du hast ein Mädchen geschwängert, und das, obwohl Nonovulid mühelos zu haben ist – was zeigt, daß du ein sparsamer Typ bist, Jim.« Er tippte sich gegen die Stirn. »Du denkst voraus.«
    »Ich habe jetzt noch fünf Minuten«, sagte Briskin hölzern.
    Er sammelte die Seiten von Phil Danvilles Rede auf und steckte sie in seine innere Manteltasche zurück. Er trug noch immer einen feierlichen, dunklen Anzug. Er trug ihn stets, selbst bei heißem Wetter. Dieser sowie eine flammendrote Perücke waren seine Markenzeichen gewesen, damals, als er noch als TV-Nachrichtenclown über die Bildschirme geflimmert war.
    »Halte diese Rede«, sagte Heim, »und du bist politisch tot. Und wenn du …« Er brach ab. Die Tür des Raumes hatte sich geöffnet und seine Frau Patricia stand dort.
    »Tut mir leid, wenn ich euch belästige«, sagte Pat. »Aber jeder hier draußen kann euch schreien hören.« Dann erwischte Heim einen Blick auf den großen Raum draußen, der voller Teenager-Briskinetten war, uniformierte junge Freiwillige, die von überall her aus dem ganzen Land gekommen waren, um den Wahlkampf des republikanisch-liberalen Kandidaten zu unterstützen.
    »Tut mir leid«, murmelte Heim.
    Pat betrat den Raum und schloß die Tür hinter sich. »Ich glaube, Jim hat recht, Sal.« Klein, anmutig – sie war einmal Tänzerin gewesen –, setzte sich Pat geschmeidig und zündete sich eine Zigarre an. »Je naiver Jim erscheint, um so besser.« Sie blies grauen Rauch zwischen ihren durchscheinenden, blassen Lippen hervor. »Er hat noch immer einen Rest von dem Ruf, zynisch zu sein. Wohingegen er ein zweiter Wendell Wilkie sein sollte.«
    »Wendell hat verloren«, hob Heim hervor.
    »Und Jim kann verlieren«, sagte Pat. Sie warf den Kopf in den Nacken, wischte ihre langen Haare von den Augen zurück. »Aber wenn er das tut, kann er das nächste Mal wieder antreten und siegen. Das Wichtigste für ihn ist, sensibel und unschuldig zu erscheinen, ein lieber Kerl, der das Leiden der Welt auf seine eigenen Schultern nimmt, weil er dafür geschaffen ist. Er kann nichts dafür – er muß leiden. Verstehst du?«
    »Amateure«, sagte Heim und stöhnte.
     
    Die Kameras standen ausgeschaltet da, während die Sekunden vergingen, aber sie waren bereit anzufangen; die Zeit der Rede stand unmittelbar bevor, als sich Jim Briskin an das kleine Pult setzte, das er verwendete, wenn er den Leuten eine Ansprache hielt. Vor ihm,
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