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Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder?
Autoren: Jenny Lawson
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EINEN TOTEN KUBANISCHEN ALLIGATOR IN EIN FLUGZEUG GESCHMUGGELT
    NOVEMBER 2009:
    Er war mein Erster. Groß, mit einem Stiernacken wie ein Footballspieler und einem Lächeln, das sagte: »Da bist du ja! Ich habe dich schon überall gesucht.« Victor starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren, und wies darauf hin, dass er bereits die Haare verlor und ihm einige wichtige Zähne fehlten, aber das änderte nichts.
Ich war verliebt.
    »Zahle jeden Preis«, sagte ich zu Victor. »James Garfield MUSS MIR GEHÖREN.«
    Sie machte sowohl Victor wie auch mir Angst, meine plötzliche unbändige Lust auf einen verstaubten ausgestopften Wildschweinkopf, der hier bei dieser Haushaltsauflösung, in die wir zufällig geraten waren, an der rissigen Wand hing.
    Victor weigerte sich, für einen in seinen Augen so hässlichen Gegenstand Geld auszugeben, aber dieses zahnlose Lächeln appellierte an mich: »Ich freue mich so verdammt, dich zu sehen«, und als wir ohne ihn gingen, fühlte ich mich vereinsamt. Die ganze nächste Woche lang musste ich mich immer wieder nach der leeren Stelle an der Wand umdrehen, von der James Garfield mich angelächelt hätte. Immer wenn Victor mich mit einem Scherz oder einem Video über Menschen, die sich selbst verletzten, aufheitern wollte, zwang ich mich zu einem Lächeln und sagte: »Das hätte James Garfield auch gefallen.«
    Endlich war meine Schwermut nicht mehr auszuhalten und Victor gab wütend nach. Er fuhr mich zu der Haushaltsauflösung zurück und war überhaupt nicht überrascht festzustellen, dass James Garfield noch nicht verkauft worden war. Er ließ mich im Auto warten, weil er meinte, mein sehnsuchtsvoller Blick würde sein Verhandlungsgeschick beeinträchtigen, und bot dem Typen vom Verkauf fünfundzwanzig Dollar an. Der Mann lehnte verächtlich ab und sagte, er könnte auch die Hauer aus dem Maul herausreißen und sie allein schon für diesen Preis bei Ebay verkaufen. Victor kehrte zum Auto zurück und sagte, die Verhandlungen wären gescheitert. »ER WILL JAMES GARFIELD VERSTÜMMELN?«, schrie ich. »DAS MUSST DU VERHINDERN. ZAHLE IHM, WAS ER WILL. ER GEHÖRT DOCH SCHON ZUR FAMILIE.« Victor sah mich entgeistert an. »Ich würde das für dich auch tun«, erklärte ich. »Ich würde den Terroristen alles zahlen, um dich zurückzubekommen.« Victor legte mit einem Seufzer den Kopf auf das Lenkrad.
    Angespannte zwanzig Minuten später kehrte er zurück. In den Händen hielt er den schönen Kopf von James Garfield, der seinem präsidialen Namensvetter alle Ehre machte. Ich weinte ein wenig und Hailey klatschte entzückt in die Hände. »Du bist jetzt mein bester Freund«, sagte sie und streichelte seine Schnauze.
    Victor sah uns an, als wären wir beide verrückt, und ließ mich dann mit starr geradeaus gerichtetem Blick schwören, dass dies nicht der Anfang einer Sammlung von Wildschweinköpfen war. »Sei nicht albern«, sagte ich. »James Garfield ist ein Unikat.«

    Als meine Eltern uns ein paar Wochen später besuchten, schüttelte meine Mutter nur verwirrt den Kopf. Ich hatte erwartet, dass mein Vater wenigstens eine gewisse Genugtuung darüber empfinden würde, dass seine Liebe zu ausgestopften Tieren doch nicht eine Generation übersprungen hatte, doch warer offenbar genauso ratlos wie Victor. Er betrachtete zweifelnd das räudige Fell, das James Garfield in Büscheln ausging, und meinte, wenn ich jetzt auf Wildschweinköpfe stehen würde, könnte er mir einen viel schöneren Kopf machen. »Nein«, erwiderte ich, »ich will den.« Ich war kein Fan ausgestopfter Tiere und würde nie einer sein. Ein totes Tier im Haus ist Zeichen eines ausgewählten künstlerischen Geschmacks, mehr als eins schmeckt schon nach Serienmörder. Es ist ein schmaler Grat, auf dem man hier wandelt.
    APRIL 2010:
    Heute kam mit der Post ein halbes Eichhörnchen. Es handelte sich um die obere Hälfte bis fast zum Bauchnabel, und sie war auf eine kleine Holztafel montiert.

    Das war seltsam. Einmal, weil ich keine Eichhörnchenteile erwartete, und zweitens, weil das Eichhörnchen eine Cowboymontur trug. Es hielt eine kleine Pistole in der ausgestreckten Pfote, die drohend auf den Betrachter gerichtet war (wahrscheinlich um die gezinkten Karten zu verteidigen, die es in der anderen Pfote hielt) und seine Augen folgten einem überallhin wie die Augen dieser 3D-Jesusbilder aus den Siebzigerjahren.
    »He, Victor?«, brüllte ich vom Wohnzimmer. »Hast du mir ein halbes Eichhörnchen gekauft?«
    Victor kam
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