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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes
Autoren: Faye Kellerman
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weinen. »Herrgott, was ist nur aus meinem Leben geworden?«
     
    Es war kurz vor fünf, als Decker endlich den ganzen Papierkram erledigt hatte. Rücken und Schultern taten ihm weh, und er hatte das Gefühl, als platze ihm gleich der Kopf. Er würgte trocken ein paar Aspirin hinunter, reckte sich und ging zur Kaffeemaschine. Irgendeine gute Seele war so freundlich gewesen, noch eine Kanne aufzubrühen.
    Er goß sich eine Tasse ein und setzte sich, von einer inneren Unruhe getrieben, wieder an seinen Schreibtisch. Dustin Pode hatte sein Elternhaus niedergebrannt, weil er seine Mutter haßte. Gegen seinen Vater schien er allerdings keinen Groll zu hegen. Warum hätte er also Cecils Studio in die Luft sprengen sollen? Und warum plötzlich von Brandstiftung auf Bombenlegen umsatteln? Dustin beharrte darauf, nichts damit zu tun zu haben. Womöglich sagte er die Wahrheit.
    Er ging zu Marge hinüber. Sie hielt an ihrem Schreibtisch ein Nickerchen, und er rüttelte sie sanft an den Schultern. Sie schlug verwirrt die Augen auf.
    »Wie spät ist es?« Sie fuhr in die Höhe.
    »Ungefähr fünf.«
    »Wieso zum Geier weckst du mich dann?« fragte sie gereizt. »Wir haben noch drei Stunden, bis die Bank aufmacht.«
    »Ich wollte dich zu einer Spazierfahrt einladen«, sagte er.
    »Und wohin?«
    »Zum Strand.«
    »Was?« Sie lachte, griff aber schon nach ihrem Mantel.
    »Wir wollen noch einen anderen zornigen jungen Mann besuchen«, sagte er. »Ich erkläre es dir unterwegs.«
     
    Truscott öffnete die Tür, rieb sich die Augen und lächelte vage.
    »Ich habe Sie erwartet«, kicherte er. »Wirklich. Wirklich. Wirklich.«
    Der Junge hatte sich verändert, seine Traurigkeit war verschwunden. Er tänzelte im Kreis herum, wobei er wie bei einer Horra in die Hände klatschte und mit den Füßen aufstampfte.
    Decker blickte sich um. Auch die Wohnung sah anders aus. Anstelle der schwarzen Laken hingen nun zahllose Fotos von Lindsey an den Wänden, das ganze Zimmer war damit tapeziert. Der Fußboden glich einer Müllkippe – leere Hamburgerkartons und Colabecher, Zigarettenkippen, angebissene Donuts und Kekse, Töpfchen, aus denen geschmolzenes Eis lief, und Kuchenverpackungen türmten sich zu Bergen.
    Sein Verteidiger muß auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren, dachte Decker.
    »Sie hätten das Studio nicht in die Luft sprengen dürfen«, sagte er leise.
    »Wir mußten aber«, sagte Chris mit starrem Blick auf die Wand. »Das mußten wir doch, was, Lindsey? Ich habe dir gesagt, wir kriegen den Schweinehund, und wir haben ihn gekriegt, Babydoll.« Er klatschte in die Hände und schrie: »Yeah!«
    »Chris, es hätte jemand dabei verletzt werden können«, sagte Marge.
    »Ach was, bestimmt nicht. Nie und nimmer!« Truscott schüttelte heftig den Kopf. »Ich habe aufgepaßt. Ich habe gesehen, wie Sie rein sind, und ich habe gewartet, bis Sie wieder draußen waren. Ich habe gewartet, bis keiner in der Nähe war. Ich habe aufgepaßt. Ich wollte keinem was tun, nur dem Schweinehund, der uns weh getan hat. Das stimmt doch, Babydoll?«
    Er redete wieder mit der Wand.
    Marge warf Decker einen Blick zu. Er zuckte mit den Schultern.
    »Wir rufen jetzt die Polizei von Santa Monica an, Chris«, sagte Decker. »Man wird Sie verhaften. Haben Sie einen Anwalt?«
    »Nein.«
    »Sie kriegen einen gestellt«, sagte Decker. »Sagen Sie jetzt nichts mehr, bis Sie mit ihm gesprochen haben. Alles klar?«
    Truscott lächelte verträumt. »Darf ich mal ins Badezimmer?« fragte er höflich. »Ich würde mich gerne noch vorher waschen.«
    »Nein«, sagte Marge. »Bleiben Sie schön hier.«
    »Ich muß Pipi«, babbelte Truscott.
    »Mach ruhig in die Hose«, sagte sie leise.
    Lächelnd stand er da, während seine Hosenbeine sich langsam dunkel verfärbten.
    »In dem Zustand möchte ich ihn lieber nicht allein lassen«, sagte Marge flüsternd zu Decker. »Der ist imstande und bringt sich um.«
    Schweigend warteten sie auf das Eintreffen der Kollegen. Die Detectives wiesen ihn auf seine Rechte hin, während Chris, »Somewhere Over The Rainbow« vor sich hin pfeifend, abgeführt wurde. Decker sah zu, wie er in den weiß-blauen Streifenwagen verfrachtet wurde. Unwillkürlich legte er sich eine Verteidigungsstrategie für den Jungen zurecht. Psychologisches Gutachten: Der Kummer um seine Freundin hat den Jungen erschüttert, nein, überwältigt, ein sehr viel besseres Wort. Auftritt von Lindseys Freunden als Leumundszeugen. Hinweis darauf, daß Lindseys Vater Chris in
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