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Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Titel: Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
Autoren: Claus Hipp
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Verhältnissen. Besonders tragisch ist dies, wenn Kinder und junge Menschen sterben müssen, bevor sie auch nur die Chance auf ein eigenständiges, gar ein erfülltes Leben gehabt hätten. Ebenso verkürzen Unvernunft und ungesunde Lebensweise unsere Erdentage, vor allem die vieler Wohlstandsbürger in der westlichen Welt. Und dann sind da noch die Natur und der unergründliche göttliche Ratschluss, welche den Psalmisten sagen lassen:
    „Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, sind es achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer, rasch geht es vorbei, wir fliegen dahin. (…) Unsre Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz.“
    Doch solange wir, wie lange auch immer, auf Erden weilen, sind unser aller Tage, Wochen, Monate und Jahre gleich lang. Gerade weil unsere Lebenszeit im Ganzen begrenzt ist, kommt es umso mehr darauf an, wie wir die uns gegebenen 24 Stunden jedes Tages, die sieben Tage jeder Woche und die 365 Tage jedes Jahres nutzen.
Chrónos und Kairós
    Im Griechischen gibt es für unseren Begriff „Zeit“ zwei Wörter. Chrónos bezeichnet den abstrakten Lauf der Zeit. Das ist die Zeit, die unser Chronometer misst, die für alle im gleichen Takt verrinnt – und die sich doch für jeden Menschen in jedem Moment so unterschiedlich lang oder kurz anfühlen kann. Die in unserer modernen Welt oft zu rasen scheint. Und die doch manchmal partout nicht „herumgehen“ will.
    Auf der anderen Seite gibt es den Begriff des Kairós , der die erfüllte Zeit meint, den rechten Augenblick, den „perfekten“ Moment, in dem uns etwas gelingt, wir etwas Wesentliches erkennen oder Wichtiges sich entscheidet. Wir sagen dann, dass wir „die Gelegenheit beim Schopfe gepackt“ hätten – eine Redensart, die sich aus einem Epigramm des hellenistischen Dichters Poseidippos von Pella (ca. 310 bis 240 v. Chr.) herleitet, der den Gott Kairos als nur an der Stirn, nicht jedoch am Hinterkopf behaart beschreibt. Wir meinen mit dieser Wendung, dass wir im richtigen Moment das Richtige getan haben. Wir sind sozusagen auf einer seligen Insel des Kairós im breiten Fluss des Chrónos gelandet. Selbst wenn sich bedeutende Einfälle, Erlebnisse oder Ereignisse in unserem Leben bisweilen erst später als solche entpuppen, spüren wir doch meist sofort, dass in solchen Momenten alles „stimmt“, dass es gut ist, dass Gedanken oder Entwicklungen, die uns schon länger beschäftigt haben, sich plötzlich fügen. Solche entscheidenden Momente des Kairós sind nicht zuletzt die Ankerpunkte unserer Erinnerung.
    In der klassischen griechischen Mythologie spielen Chrónos – nicht zu verwechseln mit Kronos, dem Vater des Zeus – und Kairós zwar keine wesentliche Rolle. Beide wurden erst in hellenistischer Zeit bildlich dargestellt, sodass hier wohl eher zwei abstrakte Zeitvorstellungen nachträglich mit einer olympischen Herkunft ausgestattet wurden. Interessant ist jedoch, dass die späten Darstellungen des Gottes Kairós diesen oft in die Nähe der Rachegöttin Nemesis rücken, welche die menschliche Selbstüberschätzung bestraft. Wir werden so indirekt ermahnt,uns bei der Jagd nach dem rechten Augenblick, nach dem Moment des Gelingens nicht zu versteigen. Denn der Gott „fliegt wie der Wind“ und ist „spitzer als ein Messer“, wie es bei Poseidippos heißt. „Bin ich mit fliegendem Fuß erst einmal vorbeigeglitten, wird mich keiner von hinten fassen, so sehr er sich auch bemüht.“
    Der richtige Augenblick, wir können ihn also einerseits verpassen. Ob wir die Gelegenheit gar nicht erst erkannt oder ob wir sie aus Bequemlichkeit, mangelnder Entschlusskraft oder kleinlicher Sorge nicht genutzt haben – so oder so ist es sinnlos, der verpassten Chance, einer verlorenen oder verblassten Idee hechelnd hinterherzulaufen.
    Noch weniger aber können wir andererseits den rechten Augenblick, den genialen Einfall, die einmalige Gelegenheit erzwingen. Harte Arbeit oder inneres Ringen mögen vielfach Gutes und Sinnvolles bewirken. Aber das sind eher die Mühen der Ebene, nicht die Glücksmomente der Inspiration. Selbst ein gewisser Druck mag bisweilen über Hindernisse hinweghelfen. Aber je stärker er wird, desto mehr lähmt er in aller Regel unseren Schaffens- und erst recht unseren Erkenntnisdrang. Der Geist weht nun einmal, wo er will. Sodass Gewichtiges, Großes, gar das Geniale meist Kinder des Kairós sind, die sich einfinden, aber nicht herbeizitieren lassen.
    Im Übrigen folgt der
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