Das Hexen-Amulett (German Edition)
widersprechen. Schon in einem Monat würde sie verheiratet sein, Dorcas Scammell heißen und dem Wunschnamen Campion auf immer abschwören müssen.
«Amen», sagte Samuel Scammell. «Ein glücklicher Tag.»
3
Du darfst dich glücklich preisen.» Die Worte der Haushälterin vor dem Frühstück klangen wie ein Befehl.
«Ich freue mich so für Euch», sagte Charity mit trauriger Miene, denn sie wünschte sich selbst nichts sehnlicher, als verheiratet zu sein.
«Lob und Preis, Dorcas!», kommentierte Myrtle, die wohl einzig glückliche Bewohnerin von Werlatton Hall, denn das Milchmädchen war schwachsinnig.
«Dein Vorsatz sei gesegnet», meinte Ebenezer, und seine dunklen Augen verrieten keinerlei Regung.
Campion wusste, dass sie nicht das Recht hatte, unglücklich zu sein. Es war ihr immer schon eine Selbstverständlichkeit gewesen, den Wünschen ihres Vaters zu entsprechen. Etwas anderes konnte sie sich kaum vorstellen. Dennoch hätte sie nicht einmal in ihren schlimmsten Träumen daran gedacht, an einen Mann wie Bruder Samuel Scammell verheiratet zu werden.
Als sie sich nach den Morgengebeten auf den Weg zur Milchküche machen wollte, rief der Vater sie zu sich. «Tochter.»
«Vater.»
«Du bist jetzt verlobt.»
«Ja, Vater.»
Er stand vor seinem Schreibpult. Scammell befand sich wenige Schritte hinter ihm. Ein Lichtstrahl, der durch ein Fenster im Treppenhaus fiel, streifte Matthew Slythes dunkles, ernstes Gesicht. «Die Arbeit in der Milchküche ist für dich zu Ende. Stattdessen wirst du dich auf deine Ehe vorbereiten.»
«Ja, Vater.»
«Du wirst dich mit den Pflichten im Haushalt vertraut machen.» Er runzelte die Stirn. «Es ist dir jetzt erlaubt, in Begleitung von Bruder Scammell ins Dorf zu gehen.»
Sie hielt den Kopf gesenkt. «Ja, Vater.»
«Ihr werdet euch noch heute Vormittag auf den Weg machen. Ich habe hier einen Brief an Bruder Hervey.»
Sie verließen Werlatton Hall und gingen entlang den Hecken, vor denen Wiesenkerbel und Kreuzkraut wucherten, auf abschüssigem Pfad hinunter zum Bach, wo Campion unter den Birken am anderen Ufer eine Fülle von rosaroten Lichtnelken blühen sah. Ihr Anblick brachte sie fast zum Weinen. Sie sollte nun zeit ihres Lebens Dorcas bleiben, die Mutter von Samuel Scammells Kindern. Und sie fragte sich, ob es ihr möglich sein könnte, Kinder zu lieben, die die wulstigen Lippen, das plumpe Gesicht und die riesigen Nasenlöcher ihres Vaters haben würden.
Scammell bot ihr seine Hand, als sie über die Steine in der Furt des Baches stiegen. «Kann ich Euch helfen?»
«Ich schaff’s auch allein, Mr Scammell.»
Das Wasser strömte rasch über die Kiesel zwischen den Trittsteinen. Sie blickte flussaufwärts und sah den Schatten eines Fisches vorbeischnellen. In diesem Bach hatte sie vor kurzem noch ein Bad genommen. Jetzt wünschte sie sich fast, sie wäre ertrunken und ihr weißer, nackter Leichnam triebe auf Lazen Castle zu.
Hinter dem steilen Ausläufer eines Bergrückens bog der Weg nach Süden. Es war wieder ein heißer Tag, nur im fernen Westen zeigten sich ein paar weiße Wolken am Himmel. Der Saum von Campions langem Kleid wirbelte Staub auf.
Scammell bewegte sich schwerfällig. Den Oberkörper nach vorn gebeugt, fiel er in jeden Schritt. «Ihr sollt wissen, meine Liebe, dass Ihr mich zu einem glücklichen Mann macht.»
«Das sagtet Ihr bereits in den Gebeten, Mr Scammell.»
«Zu einem sehr glücklichen Mann. Auch Euch will ich glücklich machen.»
Sie sagte nichts. Das Weizenfeld zur Linken war voller Mohn. Sie schaute auf die Blüten, war aber blind für das, was sie sah. Sie hatte gewusst und im Grunde schon viel früher damit gerechnet, dass ihr Vater sie mit einem Mann seiner Wahl verheiraten würde. Damit, so hatte er gesagt, habe er warten wollen, bis es Anzeichen dafür gebe, dass die erlösende Gnade Christi bei ihr fruchte. Allerdings glaubte sie nicht, dass dies der einzige Grund für sein Zögern gewesen war. Ebenezer war Matthew Slythes Erbe, doch stand lange zu befürchten, dass er, der Sohn, seinen Vater womöglich nicht überleben würde. Er war immer schon schwach und kränklich gewesen, weshalb Campion vermutet hatte, dass ihr der Vater einen Mann zur Seite zu stellen gedachte, dem er Werlatton als sein Erbe anvertrauen mochte. Und darum hatte sich Matthew Slythe Zeit genommen, den Richtigen zu finden – einen gottesfürchtigen Geschäftsmann.
Scammell räusperte sich. «Ein herrlicher Tag, meine Liebe. Wirklich und
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