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Das Herz kennt die Wahrheit

Das Herz kennt die Wahrheit

Titel: Das Herz kennt die Wahrheit
Autoren: Ruth Langan
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glaubte, ertrinken zu müssen. Ich wünschte mir sogar den Tod herbei, da meine Schmerzen unerträglich waren. Dann zogen mich kräftige Arme aus dem Wasser und hievten mich auf einen Karren. Ich erinnere mich an jede Furche des Weges, weil mir das Holpern des Wagens unsägliche Schmerzen bereitete. Schließlich kam der Karren zum Stehen, und man trug mich in einen dunklen Raum, der nach Whisky und menschlichen Ausdünstungen stank. Später hörte ich Schreie und Entsetzensrufe. Der beißende Geruch von brennendem Holz stieg mir in die Nase. Dann wurde mir schwarz vor Augen."
    Darcy sah ihn voller Erstaunen an. "Weißt du, was das bedeutet, Gryf?"
    Er nickte. "Es könnte heißen, dass ich mir die Verbrennungen nicht in einer Schenke zugezogen habe, wie ich bislang glaubte. Womöglich hat man mich in das Wirtshaus gebracht, nachdem ich woanders in die Flammen geraten war. Höchstwahrscheinlich auf dem Schiff, das so deutlich in meiner Erinnerung aufblitzte."
    "O Gryf." Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. "Das ist, was ich mir immer erträumt und gewünscht habe. Wenn wir einen Beweis fänden, dass du an Bord der 'Carrington' gewesen bist …"
    "Ich weiß, was du denkst, Darcy. Aber da ist noch etwas anderes. Und das beunruhigt mich zutiefst. Es wird dich nicht so erfreuen wie die erste Erinnerung."
    "Etwas anderes?" Bei seinem ernsten Tonfall schwand ihr Lächeln augenblicklich. Ein unbestimmtes Gefühl der Angst beschlich sie.
    "Ja. Ich war so aufgeregt, als ich mich an die Ereignisse erinnerte, wenn es auch nicht viel war. Verzweifelt habe ich versucht, mich an mehr zu entsinnen. Deswegen habe ich wohl lange keinen Schlaf gefunden. Doch heute Morgen, kurz bevor ich aufgewacht bin, erschien mir ein weiteres Erlebnis im Traum."
    Darcy griff nach seiner Hand. "Erzähl mir davon. Bitte."
    Er schüttelte den Kopf. "Ich glaube nicht, dass du das hören möchtest."
    Erneut wurde sie von einer Woge der Angst erfasst. Doch es gelang ihr auch dieses Mal, ihre Furcht zu verdrängen. "Ich möchte es aber hören, Gryf. Ich muss es wissen. Mag es auch noch so schmerzvoll für mich sein."
    Er atmete tief durch, kehrte sich von ihr ab und trat an ein Fenster. Ohne sie anzuschauen, sagte er: "Auf See kämpfte ich gegen einen ungeheuren Sturm an. Als ich endlich das rettende Ufer erreichte, hielt ich ein kleines Mädchen in meinen Armen. Leute standen um uns herum, doch ich trug das Mädchen unbeirrt weiter, bis wir vor einem warmen Feuer lagen. Dort schlief es in meinen Armen ein."
    Betrübt drehte er sich um. Als er sah, dass sie weinte, schloss er die Augen, da er einen Stich im Herzen verspürte. "Siehst du, Darcy? Jetzt ist das eingetreten, was ich am meisten gefürchtet habe. Vermutlich bedeutet es, dass ich irgendwo eine Tochter habe. Eine Tochter, die immer noch um ihren vermissten Vater trauert."
    Tränen strömten über Darcys Wangen, und Gryf glaubte, seinen eigenen Kummer nicht mehr ertragen zu können. "Verstehst du? Genau das wollte ich dir nicht antun. An dem wichtigsten Tag in unserem Leben, an einem Tag, der uns so glücklich machen sollte, erlange ich mein Gedächtnis zurück. Ich erinnere mich an eine Tochter, und an unserem Hochzeitstag muss ich dir das Herz brechen."
    "Nein, Gryf. Deshalb weine ich doch gar nicht." Sie durchquerte den Raum und verschränkte die Hände mit den seinen. "Das sind Tränen der Freude." Die Stimme drohte ihr zu versagen. "Hör mich an, Liebster. Ich weiß, wer dieses Mädchen ist. Das Mädchen in deiner Erinnerung."
    "Du kennst sie?" Fassungslos starrte er sie an.
    "Ja." Sie atmete tief durch. "Ich bin es."
    "Du? Darcy …" Ungläubig schüttelte er den Kopf.
    "Gryf, die Dinge, an die du dich erinnerst, ereigneten sich, als ich fünf Jahre alt war und du dreizehn. Du hast mich damals bei einem Sturm gerettet und nach Hause gebracht. Und von diesem Tag an bist du mein geliebter Held gewesen. O mein Liebling. Verstehst du nicht? Diese Erinnerung beweist eindeutig, dass du mein Gray bist. In meinem Herzen habe ich es immer gewusst, doch jetzt habe ich keinen Zweifel mehr, dass du es wirklich bist."
    "Wie kannst du da so sicher sein?"
    "Du erinnerst dich an etwas, was mir mit fünf Jahren widerfahren ist. Und du entsinnst dich eines Feuers auf einem Schiff, das die meisten der Seeleute mit in den Tod riss. Ich kann nicht glauben, dass dies ein bloßer Zufall ist."
    Gryf schloss die Augen und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Als er sie wieder öffnete, drückte er einen
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