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Das Herz kennt die Wahrheit

Das Herz kennt die Wahrheit

Titel: Das Herz kennt die Wahrheit
Autoren: Ruth Langan
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und Fürsorge blüht er geradezu auf."
    "Und daher hast du beschlossen, ihm einfach den Rücken zu kehren? Ihn zu verlassen?"
    "Ich verlasse ihn nicht." Seine Stimme klang leidenschaftlicher, als er beabsichtigt hatte. "Ich werde Geld für seinen Unterhalt schicken. Und wenn ich einen Ort gefunden habe, wo ich sesshaft werden kann, werde ich ihn benachrichtigen. Falls er dann noch bei mir leben möchte, werde ich ihm ein Zuhause bieten."
    "Weißt du überhaupt, was du da sagst, Mann?" Newton starrte Gryf eindringlich an. "Du bist für den Jungen die wichtigste Person in seinem Leben. Du verkörperst den Vater, den er nie gehabt hat. Den Freund und Beschützer. Und jetzt verlässt du ihn. Ohne ein Wort des Abschieds."
    "Ich kann unmöglich dorthin zurückgehen, Newt. Ich will ihn nicht sehen. Oder Darcy."
    "Warum? Hast du Angst?"
    "Nein. Aber ich will den beiden nicht wehtun."
    "Du hast ihnen bereits wehgetan, und so, wie ich den Burschen und mein Mädchen kenne, wollen sie sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie leiden. Aber sie leiden. Und sie werden so lange leiden, wie du fort bist. In Wirklichkeit hast du Angst, den Kummer in ihren Augen zu sehen. Denn du bist derjenige, der den Kummer hervorgerufen hat. Du hast Angst, zu sehen, was du angerichtet hast."
    Als Gryf nichts zu seiner Verteidigung vorbrachte, blickte Newton eine Weile starr auf seinen Whisky. Dann hob er den Kopf und schob sein Glas zu dem Mann, der ihm gegenübersaß.
    "Trink du ihn, Gryf. Vielleicht verleiht er dir den Mut, den du nicht aufbringen kannst. Denn mir ist soeben bewusst geworden, dass du Angst hast. Oh, wie tapfer du dich gibst. Doch tief im Innern fürchtest du dich. Was man dir nicht verdenken kann. Es ist wahr, vielleicht erinnerst du dich nie an deine Vergangenheit. Dir werden womöglich Dinge nicht vergönnt sein, die wir alle als selbstverständlich hinnehmen. Wie du gesagt hast, du bist ein Mann, der sich nicht mehr an seine Kindheit erinnern kann. Du weißt nicht, wie dein Vater oder deine Mutter aussahen, weißt nicht, wer deine Freunde waren. Oder welche Frau du geliebt hast."
    Er senkte die Stimme. "Aber bedenke doch, dass du die entscheidenden Dinge im Leben erreicht hast. Dinge, nach denen wir uns alle in dieser Welt sehnen. Du hast eine Frau, die dich liebt, unabhängig davon, wer oder was du auch sein magst. Eine bezaubernde Frau, die das Herz einer Kämpferin hat. Und du hast einen Jungen, der dich bewundert. Und der stolz wäre, dein Sohn sein zu dürfen. Du hast eine Familie, die immer zu dir halten wird, Gryf."
    Newton schob den Stuhl zurück und stand auf. Er betrachtete den Mann, der mit gesenktem Kopf vor ihm am Tisch saß. "Und ob dir diese Dinge nun etwas bedeuten oder nicht, so denke trotz allem daran, dass du einen Freund hast, Gryf. Einen Freund, der stolz wäre, wieder mit dir in See zu stechen und an deiner Seite zu kämpfen." Er drehte sich um und ging zur Tür.
    Gryf leerte das Glas und sah, wie die Schankmagd ihn mit einem zaghaften Lächeln beäugte.
    "Warte, Newt." Ehe der alte Seemann die Tür erreichen konnte, war Gryf bereits bei ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Bleib noch eine Weile. Ich … kann einen Freund brauchen. Bis mein Schiff ablegt."
    Als der alte Mann keine Anstalten machte, zu gehen, führte Gryf ihn zurück zum Tisch und bedeutete der Schankmagd, die Whiskygläser aufs Neue zu füllen.
    Newton starrte auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas und überlegte, ob er das Richtige tat. Vermutlich wäre es klüger, nach MaryCastle zurückzukehren, um das Mädchen zu trösten. Doch Gryf brauchte jetzt einen Freund.
    Der Seemann wusste, was es hieß, einsam zu sein und sich verzweifelt nach einem Kameraden zu sehnen. In seinem Leben hatte es viele Augenblicke gegeben, in denen er sich furchtbar allein gefühlt hatte.
    Schließlich machte er sich keine Gedanken mehr darüber, was nun richtig oder falsch wäre, nahm das Glas und genoss den feurigen Geschmack des Whiskys.
     
    "Newton Findlay." Der alte Mann musste nicht hinschauen, um zu wissen, wer ihm da soeben die Tür geöffnet hatte. Der anklagende Tonfall war ihm nur allzu vertraut. Mistress Coffey stand im Portal und machte angewidert einen Schritt zurück, als sie die untrüglichen Anzeichen einer durchzechten Nacht wahrnahm. "Ihr seid betrunken."
    "Das kann man sagen." Nach dem langen Weg vom Dorf im trüben Dämmerlicht machte sich ein pochender Schmerz in seinem Kopf bemerkbar. Sein Magen brannte. Und da er
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