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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe
Autoren: Viktor Pelewin
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eingegangen ist – was weiß man über ihn?«
    »Recht wenig. Deine Vorgängerin hat in einem winzigen Bergdorf gewohnt, strengste Askese gehalten und jeden Kontakt zu Menschen abgelehnt.«
    »Wie hat sie sich zum Beispiel ernährt?«
    »Sie benutzte ihren Schweif, um dem Kürbisbeet zu suggerieren, dass Frühling war. Und anschließend saugte sie den Lebenssaft der Kürbisse in sich auf …«
    »Igitt …«, flüsterte ich. »Und was geschah weiter mit ihr?«
    »Eines Tages war sie weg, das ist alles.«
    »Hat sie keine Aufzeichnungen hinterlassen?«
    »Nein.«
    »Das finde ich ziemlich egoistisch von ihr.«
    »Vielleicht könntest du etwas aufschreiben.«
    »Muss ich unbedingt von Männern auf Gemüse umsteigen?«
    »Buddha hat diesbezüglich keine Wegweisungen erteilt. Hör einfach auf das, was dein Herz dir sagt. Und komm nicht vom Pfad ab.«
    Ich verneigte mich zweimal.
    »Hiermit gelobe ich, fleißig auf mein Ziel hinzuwirken, so Ihr mir die Übertragung, von der Ihr spracht, angedeihen lassen wollt.«
    »Schon passiert.«
    »Wann?«
    »Gerade eben.«
    »Wie? Das soll es gewesen sein?«
    Ich muss sehr verdutzt ausgesehen haben.
    »Es genügt vollkommen. Alles Übrige würde unter deinem Rotschopf nur Verwirrung stiften.«
    »Und was muss ich nun tun?«
    Der Gelbe Herr seufzte.
    »Wärest du ein Mensch, ich würde dir eins mit dem Stecken überziehen«, sagte er, auf seinen Knotenstock deutend, »und dich zur Gartenarbeit verdonnern. Das ist überhaupt die höchste Lehre, die sich erteilen lässt, das wirst du eines Tages auch noch verstehen. Doch für Werwesen gibt es einen Sonderweg.
    Und da du mich so inständig fragst, sage ich dir, was zu tun ist. Du musst den Schlüssel finden.«
    »Den Schlüssel wozu?«
    »Zum Regenbogenstrom.«
    »Wie sieht dieser Schlüssel aus?«
    »Keine Ahnung. Ich bin doch kein Überwerwesen. Ich bin nur ein einfacher Mönch. Geh jetzt – deine Sänfte wartet auf dich.«
     
    »Seitdem bin ich unterwegs«, endete ich und verstummte.
    Mein Bericht schien auf Alexander Eindruck gemacht zu haben.
    »Und?«, fragte er. »Hast du den Schlüssel gefunden?«
    »Natürlich.«
    »Was war es?«
    »Die Erkenntnis der eigenen wahren Natur. All das, was ich dir seit einiger Zeit zu erklären versuche.«
    »Heißt das, du bist schon in den Regenbogenstrom eingegangen?«
    »Gewissermaßen.« »Und, wie ist es?«
    »Mal langsam. Zuerst musst du begriffen haben, was ein Überwerwesen ist.«
    »Dann sag noch mal: Was ist es?«
    »Du bist es.«
    »Na, sag ich doch!«, rief er in vorwurfsvollem Ton. »Und du willst es mir die ganze Zeit ausreden. Behauptest, du wärest es. Immer nur du!«
    »Du kapierst schon wieder was nicht. Du glaubst, nur weil du mit Blicken Glühbirnen durchknallst und Fliegen abschießt, müsstest du ein Überwerwesen sein …«
    »Nicht bloß Fliegen«, sagte er. »Und nicht bloß mit Blicken. Wenn du wüsstest, was ich alles kann.«
    »Ach ja? Was denn?«
    »Ich muss nicht mal hingucken, verstehst du? Ein Gedanke reicht schon. Gestern Abend zum Beispiel hab ich mir den Polittechnologen Tatarski vorgenommen. Schon mal gehört von dem?«
    »Ja. Was ist mit ihm? Ist er …?«
    »Wie kommst du darauf. Er hat im Schlaf was gemurmelt und sich auf die andere Seite gedreht. Nein, ich hab ihn auf die kalte Art abserviert.«
    »Was soll das heißen?«
    »Der kriegt von jetzt an keine Aufträge mehr, fertig. Sitzt in seiner Stiftung und wird allmählich zum Tapetenmuster. Vorausgesetzt, wir lassen ihm das Büro.«
    »Mann, du bist ja echt ein cooler Typ«, sagte ich. »Wie machst du das nur?«
    Er musste überlegen.
    »Es ist wie Sex, nur umgekehrt. Schwer zu erklären. Augen zu und durch, wie man sagt. Obwohl, man kann die Augen getrost offen lassen, sehen tut man sowieso nix. Hinter die Details bin ich bis jetzt noch nicht gestiegen … du gibst es jedenfalls zu, dass ich das Überwerwesen bin?«
    »Du begreifst nichts, aber auch gar nichts. Die Fähigkeit, Fliegen und Polittechnologen zu Fall zu bringen, macht dich noch lange nicht zum Überwerwesen. Nicht einmal die Einbildung steht dir vorläufig zu!«
    »Aber dir, was?«
    »Ja«, sagte ich nüchtern, aber bestimmt.
    »Dass du in letzter Zeit immer so dicktun musst, Füchslein! Mir bleibt kaum noch Platz auf dieser Welt.«
    »Die ganze Welt gehört dir, Chéri. Du solltest nur wissen, wer du in Wirklichkeit bist.«
    »Ich bin das Überwerwesen.«
    »Gut. Und was ist ein Überwerwesen?«
    »Das bin ich.«
    »Da haben wirs. Und ich
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