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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen
Autoren: Jean Raspail
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blutigen Schwert in der Hand zusammen mit der vorbildlichen kleinen Truppe des Villiers de l‘Isle-Adam die Insel Rhodos. Als Matrose Johanns von Österreich habe ich mich in Lepanto gerächt. Eine schöne Schlachterei! Dann hat man mich nicht mehr verwendet. Nur ein paar Lappalien, die langsam schlecht beurteilt werden. Alles wird so häßlich. Es gibt keine Fanfaren, keine Standarten und kein Te Deum mehr. Natürlich habe ich niemand getötet. Aber alle diese Schlachten, mit denen ich mich solidarisch fühle, erlebe ich jetzt mit einem Schlag, und mit einem einzigen Schuß bin ich die Hauptperson. Da ist er!«
    Der junge Mann brach graziös zusammen, glitt am Geländer, an das er sich angelehnt hatte, hinunter und saß schließlich mit hängenden Armen auf seinen Fersen, in einer Stellung, die für ihn üblich war. Der rote Fleck auf seiner linken Brustseite wurde etwas größer, hörte aber dann rasch auf zu bluten. Er starb ganz ordentlich. Ein Sieg nach Art des Abendlandes, so endgültig wie nutzlos und lächerlich. Im Frieden mit sich selbst wandte der alte Herr Calguès dem Toten den Rücken zu und kehrte in das Haus zurück.

3.
     

    Seelisch ausgewogen spürte der Professor ein deutliches Hungergefühl in seinem Magen. Dabei kamen bei ihm einige Erinnerungen an andere Heißhungerzustände auf, besonders an diese herrlichen Hungergefühle, wie sie beim Mann nach dem Liebesakt auftreten. Von diesen einstigen Nächten hatte der Professor nur noch verschwommene Eindrücke behalten, die nicht von Belang waren. Aber an andere, zufällige Essen, sogar zu zweit, erinnerte er sich sehr genau. Graues Brot in großen feinen Scheiben, schwarzer Schinken aus den benachbarten Bergen, trockener Ziegenkäse vom Dorf, Oliven aus den Terrassenobstgärten, von der Sonne verwöhnte Aprikosen und etwas herber Wein aus steinigen Halden. Und er beschloß, an diesem Abend noch einmal der Liebe zu huldigen.
    Er nahm ein großes Glas für den Durst und ein weiteres zum Kosten, denn es war ja genug da. Genießerisch leckte er sich die Lippen. Dann schnitt er Schinken in dünne Scheiben, die er mit ein paar Oliven auf einen Zinnteller aufreihte, legte Käse auf ein Rebblatt und Früchte in einen großen flachen Korb. Glücklich lächelnd setzte er sich an seine Tafel. Er liebte. Wie jeder von der Gunst der Stunde bedachte Liebhaber fand er sich mit der allein, welche er liebte. An diesem Abend war es aber keine Frau noch ein sonstiges Lebewesen, sondern eine Art Eigenprojektion von unzähligen Gesichtern, mit denen er sich identifizierte. Die silberne Gabel zum Beispiel, mit den abgenutzten Zinken und den fast ausgelöschten Initialen eines mütterlichen Vorfahren. Ein merkwürdiger Gegenstand, wenn man bedenkt, daß der Westen ihn aus einem Stilbedürfnis erfunden hat, während ein Drittel der Menschheit noch das Essen mit den Fingern greift. Das Glas, dieses unnütze Kristall. Man stellt vier Stück nebeneinander hin. Warum? Müßte man nicht einfach keine Gläser mehr hinstellen, weil Sertao verdurstete oder Indien im Schlamm seiner versiegten Brunnen Typhus aufkommen ließ? Die Tür. Die betrogenen Ehemänner können an die Tür klopfen, drohen, sich rächen. Bei der Liebe teilt man nicht, und über die übrigen Leute spottet man. Sie existieren einfach nicht. Marschieren die vom Glück betrogenen Ehemänner zu Tausenden heran? Vortrefflich!
    Der Professor stellte vier Gläser nebeneinander und rückte die Lampe heran, um sie zu beleuchten. Sie funkelten wie Sterne. Etwas weiter entfernt stand eine riesige massive Bauerntruhe, ein vier Jahrhunderte altes Erbstück, wie der junge Mann gesagt hatte. In dieser Truhe lag dicht zusammengepreßt viele Wäsche. Tischtücher, Handtücher, Laken, Kopfkissenbezüge, Scheuertücher, unverwüstliche Leintücher aus einer vergangenen Zeit und noch weitere nach Lavendel duftende Haushaltsschätze. Der Professor erinnerte sich nicht, daß er von diesen Haufen jemals etwas benötigt hätte, die seine Mutter oder Großmutter ehedem eingeordnet hatten. Sie haben sich bei Sammlungen für Arme nur von gebrauchter Wäsche getrennt, die sorgfältig geflickt, aber noch brauchbar war. Die lieben Frauen mit den umsichtigen Herzen!
    Ist leichtfertige Nächstenliebe nicht in erster Linie eine Versündigung gegen sich selbst? Außerdem stieg die Zahl der Armen inzwischen gewaltig an. Man kannte sie nicht. Sie waren nicht von hier. Sie waren namenlos geworden, überschwemmten alles und wurden zur Plage. Sie
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