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Das Haus Nucingen (German Edition)

Das Haus Nucingen (German Edition)

Titel: Das Haus Nucingen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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»Du hast ganz recht, wenn es dir leid tut, daß man den Adelstitel nicht verkaufen kann,« sagte Bixiou. »Ich komme auf unsere Leute zurück. Kennt ihr Beaudenord? Nein? Gut! So hört, wie alles zuging! Der arme Junge war vor zehn Jahren die Blüte des Dandytums. Aber er ist so gründlich untergegangen, daß ihr ihn ebensowenig kennt, wie Finot jetzt den Ursprung des › Coup de jarnac ‹ kennt. (Das ist als Redensart gemeint und nicht, um dich zu foppen, Finot!) Tatsächlich, er gehörte zum Faubourg Saint-Germain. Also Beaudenord ist der erste Hammel, den ich euch vorführen will. Zunächst müßt ihr wissen, daß er sich Godefroid von Beaudenord nannte. Weder noch Blondet noch Couture noch ich würden einen solchen Vorteil nicht zu schätzen wissen. Es schmeichelte der Eigenliebe des Burschen nicht wenig, wenn nach einem Ball seine Diener nach seinem Wagen riefen und dreißig schöne, von ihren Gatten und Anbetern umringte Frauen den stolzen Namen hörten. Ferner erfreute er sich aller guten Gaben, mit denen Gott den Menschen ausgestattet: er war gesund und kräftig, hatte weder ein krankes Auge noch einen falschen Schopf oder falsche Waden; er war weder x- noch o-beinig, hatte keine hervortretenden Knie, ein gerades Rückgrat, eine schlanke Gestalt, hübsche weiße Hände und schwarze Haare; seine Gesichtsfarbe war weder zu rosig wie bei einem Drogisten, noch zu braun wie bei einem Kalabreser. Also die Hauptsache: Beaudenord war nicht allzu hübsch, war keiner von denen, die aussehen, als sei ihre Schönheit ihr einziges Gut; aber lassen wir das, es ist schon abgesprochen! Er wußte eine Pistole zu handhaben und ein Pferd zu reiten, er hatte sich wegen einer unbedeutenden Sache geschlagen und seinen Gegner nicht getötet. Wißt ihr auch, daß man, um zu wissen, was im neunzehnten Jahrhundert in Paris das Glück eines Sechsundzwanzigjährigen ausmacht, alle die unzähligen Kleinigkeiten und Nebensächlichkeiten kennen muß, aus denen das Leben sich zusammensetzt? Der Schuhmacher, der Beaudenords Fuß erwischt hatte, fertigte ihm gutsitzende Schuhe, sein Schneider freute sich, ihm schöne Anzüge zu machen. Godefroid setzte kein überflüssiges Fett an, er prahlte nicht und sprach keinen unangenehmen Dialekt, sondern redete rein und fehlerfrei und trug seine Krawatte so hübsch gebunden wie Finot. Er hatte ferner das Glück, doppelt verwaist und der Vetter seines Vormundes, des Marquis d'Aiglemont, zu sein; er ging bei den Finanzleuten ein und aus, ohne daß der Faubourg Saint-Germain darüber spöttelte, denn glücklicherweise hat ein junger Mann das Recht, das Vergnügen zu seinem einzigen Gesetz zu machen, dort hinzulaufen, wo man die Freude liebt, und die düstern Winkel zu fliehen, in denen Sorge und Gram erblühen. Trotz aller dieser Gaben hätte er sich recht unglücklich fühlen können. Ach, leider hat das Glück das Unglück, als etwas Unbedingtes zu erscheinen, was so viele Narren zu der Frage veranlaßt: ›Was ist das Glück?‹ Eine sehr geistvolle Frau sagte einmal: ›Das Glück ist da, wo man es hinträgt‹.« »Da sprach sie eine traurige Wahrheit aus,« sagte Blondet. »Und eine sehr abstrakte,« fügte Finot hinzu. »Erzabstrakt! Das Glück, die Tugend, das Böse – das sind alles ganz relative Begriffe,« erwiderte Blondet. »So konnte Lafontaine zum Beispiel hoffen, daß die Verdammten sich mit der Zeit an ihren Zustand gewöhnen und schließlich dahin kommen würden, sich in der Hölle so wohlzufühlen wie ein Fisch im Wasser.« »Jeder Philister zitiert Lafontaine!« sagte Bixiou. »Das Glück eines Sechsundzwanzigjährigen in Paris ist noch lange nicht das Glück eines Sechsundzwanzigjährigen in Blois,« sagte Blondet, ohne den Einwurf zu beachten. »Wer davon ausgeht, um gegen die Unbeständigkeit der Meinungen loszuziehen, ist ein Dummkopf oder Betrüger. Die heutige Heilkunde, deren größte Ruhmestat es ist, von 1799 bis 1837 sich aus ihrer Stellung der Mutmaßung, der Hypothese, zu einer positiven Wissenschaft entwickelt zu haben – und dies durch den Einfluß der großen Schule der Analytiker in Paris –, hat bewiesen, daß der Mensch sich nach Ablauf eines bestimmten Zeitlaufs verändert, erneuert ...« » Es ist das gleiche wie mit Hänschens Messer« [Fußnote: Unter ›Hänschens Messer‹ wird in einer französischen Redensart eine Sache verstanden, die allmählich solche Veränderungen erlitten hat, daß sie nur noch dem Namen nach die alte ist.] erwiderte Bixiou. »So
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