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Das Haus Nucingen (German Edition)

Das Haus Nucingen (German Edition)

Titel: Das Haus Nucingen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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andern auf die Schultern springt, um ihnen ein Henkerszeichen zu hinterlassen.
    Der erste Hunger schien gestillt, und unsere Nachbarn gelangten in ihrer Mahlzeit gleich uns zum Dessert; dank unsers ruhigen Verhaltens glaubten sie sich allein. Bei Champagner, Zigarren und gastronomischen Genüssen entspann sich alsbald eine vertrauliche Unterhaltung. Dieses Gespräch, das kalt und geistvoll jede Gefühlsregung unterdrückte und dem Gelächter einen schrillen Ton herber Ironie beimengte, gefiel sich in Anklagen gegen alle, deren Leben dem Eigennutz gedient. Jenes Pamphlet, das Diderot nicht zu veröffentlichen wagte, ›Rameaus Neffe‹, einzig dieses Buch, das nur geschrieben wurde, um Wunden zu entblößen, kann zum Vergleich mit dieser rücksichtslosen Rede herangezogen werden, die ich erlauschte. Es war eine Rede, bei der das Wort nicht einmal das verschonte, was der Gedanke noch in Zweifel zog; sie baute auf Trümmern Beweise auf, verneinte alles und bewunderte nur das, was der Skeptizismus anerkennt: des Goldes Allwissenheit und Allmacht. Nachdem die üble Nachrede zunächst den weiteren Bekanntenkreis angegriffen, begann sie die nahen Freunde aufs Korn zu nehmen. Eine Handbewegung von mir genügte zum Zeichen, daß ich noch zu bleiben verlangte, denn Bixiou ergriff das Wort. Wir hörten nun eine jener boshaften Improvisationen, die diesem Künstler seinen Ruf als überlegenen Geist verschafften. Trotzdem der Vortrag oft unterbrochen, fallen gelassen und wieder aufgenommen wurde, hat mein Gedächtnis ihn festgehalten. Ich gebe hier in Inhalt und Form genau wieder, was ich hörte; mag es auch literarischen Anforderungen nicht genügen, so gibt dieses Potpourri doch ein getreues Bild der dunklen Farben unserer Zeit, und die Verantwortlichkeit muß ich dem Redner selbst zuschieben. Mienenspiel und Gesten schienen prächtig mit dem jeweiligen Tonfall übereinzustimmen, mit dem Bixiou die vorgeführten Personen zeichnete, denn seine drei Zuhörer ließen des öfteren Beifallsrufe ertönen.
    »Und Rastignac hat dich zurückgewiesen?« sagte Blondet zu Finot. »Glatt.« »Hast du ihm auch mit den Zeitungen gedroht?« fragte Bixiou. »Er hat gelacht,« erwiderte Finot. »Rastignac ist der direkte Erbe des seligen de Marsay, er wird politisch wie gesellschaftlich seinen Weg machen,« sagte Blondet. »Doch wie ist er zu seinem Vermögen gekommen?« fragte Couture. »1819 war er noch, gemeinsam mit dem berühmten Bianchon, in einer elenden Pension des Quartier latin; seine Familie nährte sich von gerösteten Maikäfern und trank billigen Landwein, um ihm hundert Franken im Monat senden zu können; das Gut seines Vaters war keine tausend Taler wert; überdies hatte er noch zwei Schwestern und einen Bruder, und jetzt ...« »Und jetzt hat er jährlich eine Rente von vierzigtausend Franken,« sagte Finot; »jede seiner Schwestern hat sich gut verheiratet und eine reiche Mitgift bekommen, und die Nutznießung des väterlichen Gutes hat er seiner Mutter überlassen ...« »Im Jahre 1827 sah ich ihn noch ohne einen Sou,« sagte Blondet. »Im Jahre 1827!« sagte Bixiou. »Nun,« erwiderte Finot, »heute sehen wir ihn auf dem besten Wege, Minister, Pair von Frankreich oder sonst irgend etwas Großes zu werden! Seit drei Jahren hat er seine Beziehungen zu Delphine gütlich gelöst, er wird sich nur unter guten Aussichten verheiraten, und er kann unter den edelsten Töchtern des Landes wählen. Der Bursche hatte Verstand genug, sich an eine reiche Frau zu halten.« »Meine Freunde, haltet ihm mildernde Umstände zugute,« sagte Blondet; »kaum daß er den Krallen des Elends entronnen, fiel er in die Hände eines geriebenen Schlaubergers.« »Du scheinst Nucingen gut zu kennen,« sagte Bixiou; »in der ersten Zeit fanden Delphine und Rastignac ihn sehr ›lenkbar‹, für ihn schien die Frau ein Spielzeug, ein Schmuck seines Hauses zu sein. Und das ist es, was den Mann in meinen Augen hebt: Nucingen scheut sich nicht, auszusprechen, daß seine Frau gewissermaßen die Repräsentantin seines Vermögens ist, eine unveräußerliche, aber untergeordnete Sache im Leben der Politiker und Finanzmänner, die mit Hochdruck arbeiten. Ich selbst habe ihn sagen hören, Bonaparte sei damals, als er mit Josephine anknüpfte, dumm gewesen wie ein Spießbürger und habe sich dann, als er den Mut gehabt, sie als Sprungbrett zu benutzen, dadurch lächerlich gemacht, daß er sie zu seinem Kameraden zu machen suchte.« »Jeder höhere Mensch sollte über
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