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Das Haus Nucingen (German Edition)

Das Haus Nucingen (German Edition)

Titel: Das Haus Nucingen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Châtaigneraie und Jarnac, dem wir den bekannten Ausspruch ›Coup de jarnac‹ verdanken. Jarnac wurde beschuldigt, mit seiner Schwiegermutter allzu gute Beziehungen zu unterhalten. Wenn eine Tatsache so wahr ist, darf sie nicht ausgesprochen werden. Aus Ergebenheit für König Heinrich II., der sich diese Bosheit gestattet hatte, nahm la Châtaigneraie den Ausspruch auf sich, und es kam zu dem Duell, das die französische Sprache um die bekannte Bezeichnung bereicherte.« »Ach! von so weit her kommt die Bezeichnung,« sagte Finot; »da ist sie ja geradezu vornehm.« »Es gibt Frauen,« fuhr Bixiou ernsthaft fort, »es gibt auch Männer, die es verstehen, sich zu teilen und nur teilweise zu verschenken. Solche Leute werden stets ihre materiellen Interessen von ihrem Gefühlsleben trennen. Sie schenken einer Frau ihre ganze Zeit und ihre Ehre. Als Gegenleistung nehmen sie aber von der Frau nichts an. Ja, es ist unehrenhaft, nicht nur die Seelen, sondern auch Geld und Gut zu verschmelzen. Diese Lehre wird oft genug vorgetragen, aber selten angewendet ...« »Ach, was für Lappalien!« sagte Blondet. »Der Marschall von Richelieu, ein Kenner in Sachen der Galanterie, setzte Frau de la Popelinière eine Pension von tausend Louis aus. Agnes Sorel brachte mit kindlicher Selbstverständlichkeit König Karl VII. ihr Vermögen, und der König nahm es an. Jacques Coeur hat für den Unterhalt der Krone Frankreichs gesorgt, und sie nahm es – mit echt weiblicher Undankbarkeit – hin.« »Meine Herren,« sagte Bixiou, »die Liebe, die nicht auch innige Freundschaft ist, scheint mir nichts weiter als momentane Ausschweifung. Was ist eine Hingabe, bei der man doch etwas für sich zurückbehält? Zwischen diesen beiden gleichermaßen unmoralischen und einander dennoch ganz entgegengesetzten Begriffen ist keine Versöhnung möglich. Nach meiner Ansicht haben alle, die einen rückhaltlosen Liebesbund scheuen, einfach Angst, er könne ein Ende nehmen, er sei nur flüchtiger Rausch! Die Leidenschaft, die dem von ihr Befallenen nicht ewig scheint, ist abscheulich. (Der Ausspruch ist übrigens Fénelon von reinstem Wasser.) Wer die Welt kennt und beobachtet, zum Beispiel alle jene, die sich zu kleiden wissen, und jene, die ohne Erröten eine Geldheirat eingehen, hält eine tatsächliche Trennung von materiellen Interessen und Gefühlsleben für unbedingt notwendig. Die andern sind verliebte Narren, die meinen, sie und ihre Geliebte seien allein auf der Welt! Ihnen sind die Millionen nichts, aber den Handschuh, die Kamelie, die ihre Angebetete getragen, bewerten sie nach Millionen! Wenn ihr bei ihnen auch das verächtliche Geld nicht findet, so findet ihr doch, sorgsam in Zedernholzschachteln aufgebahrt, die Leichen welker Blumen! Alle gleichen sie einander: sie alle haben kein ›Ich‹ mehr. ›Du‹, das ist ihr Gott. Was ist da zu tun? Könnt ihr diese Erkrankung des Herzens verhindern? Es gibt Narren, die ohne jede Berechnung lieben, und es gibt Weise, deren ganze Liebe Berechnung ist.« »Bixiou, du bist großartig!« schrie Blondet. »Was sagt Finot?« »An anderm Ort«, erwiderte Finot mit Würde, »wäre ich einer Meinung mit den Gentlemen; hier jedoch denke ich ...« »Ebenso wie die schlechten Subjekte, in deren Gesellschaft ich mich befinde,« entgegnete Bixiou. »Wahrhaftig ja,« sagte Finot. »Und du?« wandte sich Biflou an Couture. »Dummheiten!« rief Couture. »Eine Frau, die ihren Körper nicht zum Sprungbrett macht, um den Mann, den sie auszeichnet, emporkommen zu lassen, ist eine herzlose, selbstsüchtige Frau.« »Und du, Blondet?« »Ich, ich erprobe die Sache praktisch.« »Nun,« fuhr Bixiou mit boshafter Stimme fort, »Rastignac war nicht eurer Ansicht. Nehmen und nicht wiedergeben ist schrecklich und sogar leichtsinnig; aber nehmen, um sich das Recht zu erwirken, göttlich, hundertfach zurückzugeben – das ist eine ritterliche Tat! So dachte Rastignac. Rastignac fühlte sich tief gedemütigt, daß er von Delphine von Nucingen Geld annehmen mußte, ich weiß davon zu reden, ich sah, wie er mit Tränen in den Augen diesen Zustand beklagte. Ja, er weinte in der Tat ... nach Tisch! Na, nach unserer Ansicht ...« »Höre mal, du machst dich über uns lustig,« sagte Finot. »Keine Spur. Es handelt sich um Rastignac, dessen Kummer nach eurer Ansicht ein Beweis seiner Verdorbenheit ist; denn damals liebte er Delphine viel weniger. Aber was ist da zu machen! Der arme Junge hatte dieses Schwert im Herzen. Er ist
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