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Das Haus Nucingen (German Edition)

Das Haus Nucingen (German Edition)

Titel: Das Haus Nucingen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Unübersetzbares Wortspiel: ›Karotte‹ heißt im Französischen nicht nur ›Mohrrübe‹, sondern auch ›Prellerei‹.] besonders!« »Laßt sehen!« rief Couture entflammt. »Ihr habt zehntausend Franken, ihr kauft dafür zehn Aktien von zehn verschiedenen Unternehmen. Ihr seid neunmal hereingefallen ... (Das gibts übrigens nicht, denn das Publikum ist schlau und vorsichtig, aber ich nehme es also an!) Nun seht, der Spieler, der seine Massen so klug zu verteilen verstand, trifft unerwarteterweise auf eine ganz prächtige Anlage, wie es allen denen erging, die Wortschiner Minenaktien kauften. Gestehen wir es uns doch ein, Freunde: die Leute, die sich beklagen, sind Heuchler, die sich ärgern, weil sie weder einen günstigen Einfall haben, noch die Gabe, ihn in Szene zu setzen, noch die Geschicklichkeit, ihn auszubeuten. Der Beweis wird nicht auf sich warten lassen. Über kurz werdet ihr die Aristokratie, die Hofleute und Minister in geschlossenen Kolonnen herabsteigen sehen in das Lager der Spekulation, und sie werden noch krummere Finger machen und noch verrücktere Einfälle haben als wir, ohne doch unsere Erfahrung und Überlegenheit zu besitzen. Welch ein Kopf gehört dazu, um in einer Zelt, da die Habsucht der Aktionäre der der Gründer gleichkommt, etwas Gewinnbringendes zu erfinden und durchzuführen! Welch eine suggestive Macht muß doch der Mann besitzen, der einen Claparon ›hochbringt‹ und immer neuen Rat weiß! Wollt ihr die Moral von alledem wissen? Unsere Zeit ist nicht mehr wert als wir selber! Wir leben in einer habgierigen Zeit, in der man dem Wert der Dinge nicht nachfragt, wenn man nur dabei etwas gewinnen kann!« »Der Couture ist prächtig, wirklich prächtig!« sagte Bixiou zu Blondet; »er wird noch verlangen, daß man ihm, als dem Wohltäter der Menschheit, ein Denkmal setzt.« »Man müßte ihn dahin bringen, den Schluß zu ziehen, daß das Geld der Dummen nach göttlichem Recht das Erbteil der Geistvollen ist,« sagte Blondet. »Kinder,« fuhr Couture fort, »laßt uns hier einmal lachen über all den Ernst, mit dem wir sonst anzuhören pflegen, daß man die willkürlichsten Gesetze heilig spricht.« »Er hat recht. Welch eine Zeit, meine Freunde,« sagte Blondet, »in der das Feuer der Intelligenz, kaum daß es erscheint, sofort mittels irgendeines Gesetzes ausgelöscht wird! Die Gesetzgeber, die fast alle aus der Provinz stammen, wo sie die menschliche Gesellschaft nach den Zeitungsberichten studierten, sperren das Feuer gewaltsam in die Maschine zurück. Wenn diese dann explodiert, so gibt es Tränen und Zähneknirschen! Eine Zeit, in der es weder polizeiliche noch staatliche Gesetze gäbe! Wollt ihr den Ausspruch hören, der die Ereignisse begründet? Es ist keine Religion mehr im Staat!« »Ah!« rief Bixiou, »bravo, Blondet! Du hast den Finger in Frankreichs Wunde gelegt: das Fiskalwesen, das unserm Lande mehr Eroberungen weggenommen hat als die Plackereien des Krieges! Im Ministerium, wo ich sieben Jahre Galeerendienste tat, mit Spießbürgern an eine Bank geschmiedet, gab es einen begabten Beamten, der beschlossen hatte, das ganze Finanzsystem zu reorganisieren ... Jawohl, den haben wir schön vor die Tür gesetzt! Frankreich wäre zu glücklich geworden, es hätte sich erdreistet, Europa zurückzuerobern, und wir sorgten für die Ruhe der Nationen. Ich brachte Rabourdie durch eine Karikatur um!« (Siehe ›Der Beamte‹!) »Wenn ich das Wort ›Religion‹ anwende, so meine ich damit nicht die Frömmelei, sondern hohe Politik,« ergänzte Blondet, »Sprich deutlicher!« sagte Finot.
    »Also«, fuhr Blondet fort, »die Affäre von Lyon, die Kanonade in den Straßen der Republik, ist viel besprochen worden, keiner sagte die Wahrheit. Die Republik hatte sich des Aufruhrs bemächtigt, wie ein Aufständischer eines Gewehrs, Ich will euch die Wahrheit erzählen. Der Lyoner Handel ist ein Handel ohne Seele, der keine Elle Seide herstellt, ohne daß sie ausdrücklich bestellt und ihre Bezahlung gesichert ist. Bleibt die Bestellung aus, so stirbt der Arbeiter Hungers, verdient er doch bei der Arbeit kaum den Lebensunterhalt; die Sträflinge sind glücklicher daran als er. Nach der Julirevolution erreichte das Elend den Höhegrad, daß die Seidenarbeiter die Flagge hißten: ›Brot oder Tod!‹ ein Aufruf, der den Staat zum Nachdenken hätte bringen können, denn die Kostspieligkeit des Lebens in Lyon hatte ihn veranlaßt. Lyon will Theater erbauen und Großstadt werden, daher die
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