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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken
Autoren: Judith Lennox
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Sir. Die ist sich zu gut für unsereins. Man kann froh sein, wenn sie einen grüßt.« Sie fegte unnötig heftig mit ihrem Staubwedel über den Kaminsims. »Wenn Sie mich fragen, wird die sowieso bald verschwunden sein.« Der Ton der Schmiedsfrau verriet deutlich, dass Isabel Zeale ihr gar nicht schnell genug aus Lynton verschwinden konnte.
    Â»Sie meinen, weil ihr Arbeitgeber gestorben ist?«, fragte er. »Da wird sie sich wohl eine neue Stellung suchen müssen.«
    Wieder das verächtliche Lachen. »Oh, um solche wie die braucht man sich keine Sorgen zu machen. Die fallen doch immer auf die Füße.«
    Jemand klopfte von draußen ans Fenster. Es war der Schmied, der seinen Wagen gebracht hatte, und Richard ging hinaus, um den de Dion in Empfang zu nehmen.
    Am nächsten Morgen erwachte er zeitig. Der Himmel war strahlend blau, Straßen und Häuser lagen in goldenem Morgenlicht. Er hatte eigentlich vorgehabt, ohne weiteren Aufenthalt nach London aufzubrechen, aber nachdem er Morgentoilette gemacht hatte, holte er nicht seinen Wagen, sondern unternahm in der frischen Salzluft noch einmal einen Gang durch den Ort. Sein Weg führte ihn am Kirchhof vorbei. Als er zwischen Eiben und Grabsteinen eine Gestalt bemerkte, blieb er stehen und wartete, bis Isabel Zeale aus dem Friedhof trat. Sie trug Schwarz, und ihr Gesicht war verschleiert. Eines der Gräber, noch nicht durch einen Stein gekennzeichnet, war, wie er sah, mit frischen Rosen geschmückt.
    Â»Guten Morgen, Miss Zeale«, sagte er.
    Â»Guten Morgen, Mr. Finborough.«
    Lächerlich, wie sehr es ihn beglückte, dass sie seinen Namen behalten hatte. »Ich wollte gerade den Berg hinauf«, sagte er. »Darf ich Sie begleiten?«
    Â»Ganz wie Sie wollen«, antwortete sie gleichgültig.
    Seine Bemerkungen über den schönen Tag und die Gewalt des vergangenen Sturms gingen ins Leere. Auf Fragen antwortete sie kurz und kühl. Als sie vor dem Haus anhielten, musterte er den schönen alten Bau und sagte unwillkürlich: »Ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen schwerfällt, von hier wegzugehen. So eine Idylle findet man so leicht nicht wieder.«
    Ihr Gesicht war hinter dem Schleier verborgen, aber ihre Stimme war so kalt und hart wie Eis. »Ich weiß, was im Ort über mich geredet wird, Mr. Finborough.«
    Erstaunt starrte er sie an. »Entschuldigen Sie, aber –«
    Â»Ich weiß nicht, was für Geschichten Sie gehört haben, aber keine davon ist wahr. Am besten vergessen Sie den ganzen Klatsch. Und wenn Sie jetzt so freundlich wären, mich vorbeizulassen …«
    Er bemerkte, dass er direkt vor der Pforte stand. Er hielt sie für sie auf, und sie trat in den Garten.
    Noch einmal richtete sie das Wort an ihn. »Bitte sprechen Sie mich nicht wieder an. Ich möchte einfach nur meine Ruhe haben, und ich bitte Sie, das zu respektieren.«
    Sie wandte sich zum Haus. Er wartete, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann ging er.

    Während der Rückfahrt nach London, auf der er den de Dion bis zum Äußersten forderte, ließ der Zorn ihn kaum einen Moment los. Der Ton, in dem diese Frau mit ihm gesprochen hatte, war beleidigend gewesen, ihr Verhalten zeigte eine Art von Verachtung, mit der er selbst höchstens einen unlauteren Geschäftspartner behandelt hätte. In der Stadt zurück, fuhr er direkt in die Firma, wo sein Stellvertreter, John Temple, einen großen Teil seines Zorns abbekam.
    Richard Finborough lebte seit sieben Jahren in London. Mit achtzehn hatte er Irland, wo in County Down das Haus seiner Eltern stand, den Rücken gekehrt, weil er wusste, dass es in diesem Land keine Zukunft für ihn gab. Nach den irischen Landkriegen, dem Aufstand der Pächter gegen die Großgrundbesitzer und den danach erlassenen Reformgesetzen, den land acts , war von Raheen, dem Gutsbesitz der Familie Finborough, nicht mehr geblieben als das Haus und dreißig Morgen Park. Richards Vater, der starb, als sein Sohn gerade sechzehn Jahre alt war, hatte noch auf dem Sterbebett die britische Regierung wegen ihres Verrats an den anglo-irischen Familien verflucht. Richard teilte die Bitterkeit seines Vaters nicht, zumal er nie den Wunsch gehabt hatte, sein Leben als Bauer oder Gutsherr zuzubringen. Er hatte schon früh gesehen, welch zerstörerische Wirkung die Enttäuschung haben kann, wie sie einen Menschen aushöhlt
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