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Das Haus in den Dünen

Das Haus in den Dünen

Titel: Das Haus in den Dünen
Autoren: Ulrich Hefner
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anderen?«
    »Wir haben uns nie wieder getroffen«, antwortete Bergen. »Ich habe auch keinen Wert darauf gelegt. Irgendwann erfuhr ich, dass die Mädchen überlebt haben. Von der Vergewaltigung hat niemand gesprochen. Es hieß, dass es ein tragischer Unfall war. Eines der Mädchen hätte gezündelt und dabei das Haus in Brand gesteckt. Das haben auch unsere Lehrer erzählt und uns gewarnt, mit Feuer zu spielen.«
    »Sie haben die ganzen Jahre über geschwiegen, wie haben Sie sich dabei gefühlt?« Bergen zögerte. »Ich würde mein Leben dafür hergeben, wenn ich es ungeschehen machen könnte, aber es ist zu spät. Wir haben uns damals nicht viel bei der Sache gedacht. Es hat sich einfach so ergeben. Es … es tut mir leid.«
    *
     »Die Blumen sind für Herrn Holger Bergen«, sagte der junge Mann. »Er müsste auf der chirurgischen Abteilung liegen.«
    Die Frau hinter dem Empfangspult suchte auf dem Computerbildschirm. »Abteilung IV, Zimmer 343«, antwortete sie.
    Der junge Mann mit der Baseballmütze und dem blauen Windbreaker nickte kurz und ging zu den Aufzügen. Er kannte sich hier aus. Das war nicht sein erster Besuch. Als er den Fahrstuhl betrat, musste er aufpassen, dass er den riesigen Blumenstrauß nicht beschädigte. Der hatte eine ganze Menge Geld gekostet.
    Im oberen Stockwerk standen zwei Ärzte in weißem Kittel auf dem Flur. Er grüßte freundlich, als er an ihnen vorbeiging. Das Zimmer lag am Ende des Ganges. Er wusste das, weil er den Wegweiser studiert hatte, der im Aufzug angebracht war.
    Die Blumen verströmten einen betörenden Duft. Sommerblumen, blau und gelb, durchsetzt von grünem Blattwerk, mit Schleifen und Bändchen verziert. Ein schöner Strauß. Selbst die Ärzte warfen einen neugierigen Blick darauf.
    Eine Schwester folgte ihm und huschte an ihm vorbei. Sie hatte es offenbar eilig. Vorbei an den zahlreichen Türen führte ihn sein Weg in den hinteren Teil des Gebäudes. Sie hatten den Empfänger des Straußes im letzten Winkel der Station untergebracht. Er schaute auf die schwarzen Ziffern. Zimmer 340, 341, dann die Toilette für Besucher und direkt daneben die Teeküche. Er ging daran vorüber. Die Tür stand einen Spalt offen. Zwei Männer in blauen Overalls arbeiteten am Waschbecken. Er grinste ihnen zu und ging weiter. Zielstrebig näherte er sich dem Zimmer 343 im dritten Stock.
    *
    Trevisan schob das Handy in seine Jacke und warf Bergen einen forschenden Blick zu. Er lag still in seinem Bett und starrte schweigend an die Decke.
    »Das war Dietmar«, flüsterte Trevisan Till zu. »Wir haben Neuigkeiten aus Würzburg. Es gibt keine Zweifel mehr. Die Täterin ist Veronika Oberdorf. Offenbar wurde ihre Mutter im letzten Monat von einem Laster überfahren. Ihr Vater ist schon seit Jahren tot. Der Tod der Mutter könnte der Auslöser für ihre Taten gewesen sein.«
    »Sie wollte nicht, dass ihre Mutter erfährt, was damals passiert ist«, antwortete Till.
    »Oder sie wollte nicht, dass sie erfährt, dass ihre Tochter Menschen umbringt.«
    »Sie wird kommen«, sagte Till mit unumstößlicher Gewissheit.
    »Dietmar hat ein Bild von ihr. Er faxt es an die Verwaltungszentrale. Am besten, du gehst gleich runter und holst es ab.«
    »Herr Trevisan«, sagte der falsche Patient, der eigentlich ein Kollege war und dessen Bett neben der Tür stand. Er hatte einen Kopfhörer im Ohr. »Es ist jemand auf dem Weg hierher. Die Pforte meldet einen jungen Mann mit Blumenstrauß. Die Person ist nicht identifiziert.«
    Trevisan griff nach seiner Waffe. Er überprüfte das Magazin und steckte sie wieder in das Schulterholster. »Wir müssen mit allem rechnen. Auch Bergen meinte, dass er von einem Mann angeschossen wurde. Sie liebt offenbar die Maskerade.«
    Bergen blickte auf. »Was … was ist los?«, fragte er ängstlich.
    »Wir bekommen Besuch«, erwiderte Trevisan. »Aber keine Sorge, wir sind hier. Bleiben Sie nur ruhig liegen.«
    »Sie müssen mich beschützen«, sagte Bergen hastig. »Ich will nicht sterben.«
    Trevisan wandte sich an seinen Kollegen im Bett neben dem Eingang. »Wo ist der Kerl jetzt?«
    »Im Fahrstuhl, alle sind auf Position.«
    Till versteckte sich hinter dem Vorhang der Nische mit der Toilette und dem Waschbecken.
    »Die Zielperson ist auf dem Gang, unsere Männer sind dran«, meldete der Kollege, während Trevisan seinen Stuhl umdrehte und einen Besucher mimte. Auch der zweite fingierte Patient im Zimmer bereitete sich auf seinen Einsatz vor, erhob sich und setzte sich auf
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