Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus in den Dünen

Das Haus in den Dünen

Titel: Das Haus in den Dünen
Autoren: Ulrich Hefner
Vom Netzwerk:
Abzug zu betätigen. Sie hatten es verdient. Obwohl sie hinterher bei Brunken ein schlechtes Gewissen gehabt hatte. Aber was hinterher war, das war nicht entscheidend. Wie sie sich in der Situation verhalten würde, darum ging es ihr in ihren Überlegungen. Bislang hatte sie kurz vor dem finalen Akt an ihre Schwester gedacht. An die verbrannte Haut und das schmerzverzerrte Stöhnen, als sie neben ihr im kalten Sand gelegen hatte. Den Geruch würde sie nie mehr vergessen. Das Töten war ihr leicht gefallen.
    Entschlossen erhob sie sich. Bergen würde sterben, egal wie. Ihre Schwester war versorgt. Als sie Lucia vor ihrer Abreise in das Heim gebracht hatte, hatte sie im Stillen damit gerechnet, dass es keinen Weg zurück mehr geben würde. Sie war auf einer langen Wanderung und am Ende stand ein Ziel. Und das Ziel war der Tod der fünf Peiniger und nicht ihre Rückkehr zu ihrer Schwester. Bergen musste sterben, und wenn es das Letzte war, das sie in ihrem Leben tun würde.
    Nachdem sie das Café verlassen hatte, drehte sie sich noch einmal um und warf einen Blick auf den Krankenhauskomplex am Ende der Straße. Plötzlich kam ihr eine Idee. Einige Minuten stand sie regungslos auf dem Gehweg und schaute auf das Dach des Nebengebäudes. Es überragte den Bau, in dem Bergen auf seinem Zimmer lag, um beinahe zwei Stockwerke.
    Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Nun konnte sie zeigen, was sie von ihrem Vater gelernt hatte.
    *
    »Stromausfall, Feueralarm, Bombendrohung«, zählte Trevisan auf. »Was gibt es noch?«
    Es war kurz nach drei Uhr am Mittag und die Sonne schien durch das Fenster des Ärztezimmers, in dem sie die Einsatzleitung eingerichtet hatten. Mittlerweile standen zwei Monitore in der Ecke. Das SEK hatte die funkgesteuerte Überwachungsanlage montiert. Eine Kamera war auf den Eingang des Krankenhauses gerichtet, auf dem anderen Bildschirm waren der Flur und der Eingang zu Bergens Zimmer zu sehen. Zwei Kollegen saßen hinter den Monitoren und verglichen die vorbeikommenden Personen mit dem großen Bild der gesuchten Mörderin. Alle zehn Minuten meldeten die im gesamten Krankenhaus verteilten Kollegen ihre Bereitschaft und ihre Wahrnehmungen, damit sichergestellt wurde, dass alle auf dem Posten waren.
    Bislang war es ruhig geblieben, doch Trevisan traute dem Frieden nicht. »Das wird eine lange Nacht«, sagte er zu Dietmar. »Hast du deine Schutzweste dabei?«
    Dietmar nickte. »Ich wusste zuerst gar nicht, wie ich sie anziehen muss.«
    »Hoffentlich brauchen wir das Ding nicht. – Also gut, lösen wir Alex und Tina ab«, sagte Trevisan entschlossen.

 
     
49
    »Sie benutzen mich als Köder«, bemerkte Bergen trocken. »Sind Sie sich auch wirklich sicher, dass Sie mich beschützen können?«
    »Wir haben überall unsere Männer postiert«, antwortete Trevisan. »Niemand kann das Krankenhaus betreten, ohne dass wir es erfahren. Sie sind hier sicher.«
    »Ich habe lange über die Sache von damals nachgedacht. Es war ein großer Fehler. Der größte überhaupt in meinem Leben. Aber ich war jung und ich hatte Angst. Angst, dass alles herauskommt. Aber noch mehr Angst hatte ich vor Kropp. Ich verstehe heute noch nicht, wie ich auf ihn hereinfallen konnte.«
    »Und dabei wäre damals alles so einfach gewesen«, mischte sich Dietmar ein. »Sie hätten nur Nein sagen müssen. Einfach nur Nein, dann wäre alles nicht passiert.«
    »Sagen Sie das einem Fünfzehnjährigen«, entgegnete Bergen. »Haben Sie Kinder?«
    Dietmar nickte.
    »Ich habe auch einen Sohn«, erzählte Bergen. »Er studiert Jura in Marburg. Er wird aus allen Wolken fallen, wenn er erfährt, was sein Vater getan hat. Ich schäme mich so. Ich glaube nicht, dass er sich zu so etwas hätte hinreißen lassen, er hat viel mehr Charakter als ich. Er kommt nach seiner Mutter. Er wird mich hassen für das, was ich getan habe.«
    »Was geschehen ist, kann man nicht mehr rückgängig machen«, sagte Trevisan. »Aber man muss dafür einstehen. Man wird berücksichtigen, dass Sie nicht die treibende Kraft waren. Man wird auch Ihr damaliges jugendliches Alter berücksichtigen, aber dennoch müssen sie die Konsequenz tragen.«
    Bergen blickte an die Decke. »Gestern dachte ich noch, dass es mir eigentlich egal wäre, wenn die Tür aufginge und sie würde mich erschießen. Aber, gottverdammt, ich habe nur dieses Leben. Und mir ist klar geworden, dass ich keine zweite Chance erhalte, wenn ich heute sterbe. Sie können mir glauben, ich würde meinen rechten Arm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher