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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes
Autoren: Louise Erdrich
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steckte die Regierung ernstlich Geld in die Stammesverwaltung, und wir lernten uns richtig zu organisieren. Doe war weiterhin mal Vorsitzender und mal wieder nicht. Jedes Mal, wenn die Leute auf den aktuellen Amtsinhaber sauer waren, wählten sie Doe. Aber sobald er dann im Amt war, begann wieder der Tratsch, kamen die Beschwerden, die Stimmungsmache, die unerbittliche Demontage, die fester Bestandteil der Reservatspolitik war und auch sonst jedem blüht, der zu hoch aufsteigt. Wenn es ihm zu viel wurde, weigerte er sich, noch einmal anzutreten. Dann packte er im Büro seine Sachen, unter anderem das Briefpapier, das er jedes Mal aus eigener Tasche drucken ließ: Doe Lafournais, Stammesvorsitzender . Anschließend gab es jahrelang bei Cappy zu Hause eine Menge Schmierpapier. Früher oder später erging es dem jeweiligen Nachfolger genauso wie ihm, und dann bearbeiteten Does reuige Wähler ihn so lange, bis er doch wieder seinen Hut in den Ring warf. 1988 war Doe gerade nicht im Amt, so dass er viel Zeit hatte, mit uns zu angeln. Den halben Winter hatten wir in seinem Eishaus verbracht, Hechte gefangen und Bier geschnorrt.
    Zack Peaces Eltern hatten sich gerade zum zweiten Mal getrennt. Sein Vater, Corwin Peace, war als Musiker immer auf Tour. Seine Mutter, Carleen Thunder, leitete die Stammeszeitung.Sein Stiefvater, Vince Madwesin, war der Polizist, der meine Mutter befragt hatte. Zack war fast ein Jahrzehnt älter als sein kleiner Bruder und seine kleine Schwester, denn die Eltern hatten jung geheiratet, hatten sich scheiden lassen, es später noch einmal miteinander versucht und herausgefunden, dass die erste Scheidung eine gute Idee gewesen war. Zack war musikalisch wie sein Vater und brachte immer seine Gitarre ins Eishaus mit. Er sagte, er wüsste tausend Songs auswendig.
    Angus kam aus einer der ärmsten Gegenden des Reservats. Der Stamm hatte Gelder akquiriert, um Sozialwohnungen zu bauen – große, gelbbraune, großstädtisch aussehende Wohnblocks am Ortsrand mit unkrautbewachsenen Erdhaufen statt Büschen oder Bäumen drum herum. Noch bevor die Treppen da waren, war das Geld ausgegangen, also bauten sich die Bewohner Sperrholzrampen, oder sie hangelten sich in ihre Wohnungen hoch und sprangen wieder heraus. Angus’ Tante Star war mit ihm, seinen beiden Brüdern, den zwei Kindern ihres Freundes sowie wechselnden schwangeren Schwestern und saufenden oder trockenen Cousins in eine Vier-Zimmer-Wohnung gezogen. Tante Star lebte im totalen Wahnsinn. Das Haus hatte nicht nur keine Treppen; es war ein einziger Low-budget-Alptraum. Der Bauunternehmer hatte an der Isolierung gespart, so dass Star den Winter über nachts den Ofen an, die Tür offen und den Wasserhahn ein Stückchen aufgedreht lassen musste, damit die Leitungen nicht einfroren. Sie stopfte Stofffetzen in die klaffenden Lücken zwischen dem schrumpfenden Rigips und den extrabilligen Alu-Schiebefenstern. Die Fenster lösten sich bald in ihre Bestandteile auf und verloren ihre Fliegengitter. Nichts funktionierte. Dauernd verstopften die Abflüsse. Ich wurde mit der Zeit ziemlich gut darin, das Klo mit Wachs und Isolierband abzudichten. Star versuchte uns dauernd mit Frybread zu bestechen, damit wir irgendetwas reparierten, aus einer verbeulten Radkappe eine Satellitenschüssel zusammenzimmerten oder so was in der Art.
    Als sie ihre große Liebe Elwin an Land gezogen hatte, schafften wir das mit der Satellitenschüssel tatsächlich. Star hatte sich mit dem einzigen nennenswerten Bingogewinn ihres Lebens einen schicken Fernseher gekauft. Mit Elwins Hilfe macgywerten wir ein paar Teile Elektroschrott zusammen und kriegten Empfang aus Fargo, aus Minneapolis und sogar aus Chicago und Denver. Wir setzten die Antenne im September 1987 in Betrieb, also gerade rechtzeitig, um die Piloten aller neuen Network-Serien mitzubekommen. Mit der Zeit verbesserten wir den Empfang so weit, dass wir manchmal lizensierte Ausstrahlungen aus einzelnen Städten reinkriegten, immer je nach Wetter und nach dem magnetischen Einfluss der Planeten. Wir mussten ganz schön suchen, aber ich glaube, wir haben keine einzige Folge von Star Trek verpasst. Nicht von dem alten Star Trek, sondern The Next Generation . Star Wars mochten wir auch und hatten unsere Lieblingsdialoge, aber TNG war unser Leben.
    Natürlich fanden wir alle Worf am besten. Wir wollten alle Klingonen sein. Worfs Rezept für jede Lebenslage war der Frontalangriff. In der Folge » Das Gesetz der Edo« stellte sich
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