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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes
Autoren: Louise Erdrich
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heraus, dass er nicht auf Sex mit Menschenfrauen stand, weil sie zu zerbrechlich waren und er Zurückhaltung üben musste. Jetzt üb mal Zurückhaltung, Alter , war unser Lieblingsspruch, wenn Mädchen in Sichtweite kamen. In »Rikers Versuchung« schmiss sich die perfekte Klingonenbraut an Worf ran; sie war unfassbar scharf. Worf war aufbrausend und edel und sah sogar mit einem Schildkrötenpanzer auf der Stirn irre gut aus. Außer ihm mochten wir noch Data, weil er sich über die Weißen lustig machte, indem er neugierige Fragen zu den Dämlichkeiten der Crew stellte, und weil er sich, als die niedliche Yar total neben der Kappe war, für voll funktionsfähig erklärte und mit ihr ins Bett stieg. Wesley, mit dem wir uns eigentlich hätten identifizieren sollen, weil er in unserem Alter und superschlau war und seine verantwortungslose Mutter nicht auf ihn aufpasste, interessierteuns nicht weiter mit seinem dämlichen weißen Stadtkindergesicht und seinen peinlichen Pullis. In die empathische Halb-Betazoidin Deanna Troi waren wir alle verknallt, besonders als ihre Haare im Laufe der Serie lang und lockig wurden. Ihre Catsuits waren tief, tief ausgeschnitten, ihr roter V-förmiger Gürtel zeigte du-weißt-schon-wohin, und die Kombination von einem riesigen Lockenschopf und einem kleinen, kurvigen Körper raubte uns den Verstand. Commander Riker stand angeblich auf sie, aber er war hölzern und unglaubwürdig. Mit Bart statt der glatten Babyhaut wurde es besser, aber an Worf kam er einfach nicht ran. Captain Picard war ein alter Mann, aber immerhin Franzose, also mochten wir ihn. Und wir mochten Geordi, weil sich herausstellte, dass er mit seinem Visor ständig Schmerzen litt und somit auch edel war.
    Ich muss das erwähnen, weil diese Serie unser besonderes Ding war. Wir malten TNG-Bilder und Comicstrips und versuchten sogar selbst eine Folge zu schreiben. Wir bildeten uns einiges auf unser Spezialwissen ein. Damals kamen wir gerade in die Pubertät und fragten uns, was aus uns werden würde. In TNG waren wir nicht schlaksig, arm, mutterlos, verängstigt und überall unten durch. Wir waren cool, weil keiner außer uns mitreden konnte.
    Am ersten Tag, als ich wieder in der Schule war, brachte Cappy mich nach Hause. Inzwischen sieht man im Reservat eher selten Fußgänger, außer auf den Walking-Strecken, die extra zur körperlichen Ertüchtigung angelegt worden sind. Aber in den späten Achtzigern liefen die jungen Leute oft zu Fuß, und weil Cappy und ich beide keine Meile von der Schule entfernt wohnten, entschieden wir manchmal mit Kopf oder Zahl, zu wem wir gehen wollten. Bei ihm war mehr los, weil Randall immer Freunde dahatte, aber bei mir gab es den Fernseher und die Konsole, mit der wir Bionic Commando spielen konnten, unser absolutes Lieblingsspiel.
    Cappy hatte mir das Donnervogel-Ei im Schulflur in die Hand gedrückt und erzählte mir auf dem Heimweg, was es damit auf sich hatte. Er sagte, der Baum hätte noch geraucht, als er es fand. Ich tat, als glaubte ich ihm. Ohne große Worte war uns beiden klar, dass er mich nur bis zur Tür bringen und nicht mit reinkommen würde. Das hätte ich ohnehin nicht zugelassen. Meine Mutter wollte nicht, dass irgendjemand sie sah. Mein Vater wollte sich zwar freistellen lassen und hatte schon einen Richter im Ruhestand als Vertretung angeheuert, aber er musste im Büro noch einigen Papierkram erledigen. Er hatte zu mir gesagt, dass er von Zeit zu Zeit nach dem Rechten sehen wolle und dass meine Mutter sich trotzdem sicher freuen würde, wenn ich nach Hause käme.
    Als wir gerade in die Auffahrt eingebogen waren, kam Clemence zur Haustür raus und sagte, ein Nachbar hätte sie angerufen, weil Mooshum im Garten herumlief. So eilig, wie sie es hatte, vermutete ich, dass er dabei die Hose im Haus gelassen hatte. Sie stieg in ihr Auto und brauste davon. Cappy machte vor meinem Haus kehrt, und ich ging Richtung Hintertür. Hinter der Hausecke lagen die dürren kleinen Bäumchen mit ihren vertrockneten Blättern immer noch sterbend auf den Betonplatten aufgereiht. Ich legte meine Bücher zur Seite, hob die Pflänzchen eines nach dem anderen auf und versteckte sie in einer Ecke des Gartens. Sie taten mir in dem Moment tatsächlich leid, und zugleich wurde mir bewusst, dass ich Angst hatte, mein Haus zu betreten. Das war mir noch nie passiert. Als ich die Tür öffnen wollte, war sie abgeschlossen.
    Im ersten Moment war ich so überrascht, dass ich mit dem Fuß dagegentrat, weil
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