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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes
Autoren: Louise Erdrich
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juristisches Problem. Es führt aus dem Labyrinth der Landbesitzrechte heraus, in dem Larks Tat nicht verfolgt werden konnte. Sein Tod war der Ausgang. Ich würde nichts tun und nichts sagen, um diese Lösung zu verderben. Aber …
    Mein Vater unterbrach sich und versuchte mir einen dieser Blicke zuzuwerfen, die er so oft von der Richterbank auf michund andere gerichtet hatte. Ich spürte es, aber ich sah ihn nicht an.
    Aber, sagte er sanft, damit drücke ich mich immer noch vor meiner persönlichen Verantwortung. Diese Person, die Lark getötet hat, wird mit den menschlichen Konsequenzen leben müssen, die es nach sich zieht, jemandem das Leben zu nehmen. Da ich Lark zwar nicht getötet habe, es aber gern getan hätte, muss ich denjenigen schützen, der diese Aufgabe übernommen hat. Und das würde ich. Ich würde sogar so weit gehen, mich auf ein Präjudiz zu berufen.
    Auf was?
    Die traditionelle Rechtsprechung. Man könnte argumentieren, dass Lark die Definition eines Wiindigoo erfüllt hat und dass die Tötung somit einem sehr alten Gesetz entspricht.
    Ich spürte die gespannte Aufmerksamkeit meiner Mutter.
    Ich wollte nur, dass du das weißt, bohrte mein Vater weiter.
    Eine Menge Leute hatten was gegen Lark, sagte ich.
    Ich sah meine Eltern nacheinander an. Hinter ihnen sah ich im Nebenzimmer unsere alten Bücher sanft aus dem herabsinkenden Schatten der Abenddämmerung hervortreten. Ihre abgenutzten Lederrücken. Meditationen . Plato. Die Ilias . Ein nüchterner, dunkelroter Shakespeare und Montaignes Essais . Darunter eine einheitlich gestaltete Klassiker-Sammlung, die meine Eltern abonniert hatten. Ein kostenloses Buch Mormon, das ein reisender Missionar dagelassen hatte. William Warren war da, Basil Johnston, die Leben und Abenteuer des John Tanner und sämtliche Bücher von Vine Deloria Jr. Da standen Romane, die sie gemeinsam lasen – dicke, abgegriffene Taschenbücher. Ich sah diese Bücher an, als könnten sie uns helfen. Aber wir hatten uns weit über die Bücher hinaus begeben, in die Geschichten hinein, die Mooshum im Schlaf erzählte. Für den Ort, an dem wir uns befanden, gab es kein Repertoire von Zitaten, auf die mein Vater zurückgreifen konnte, und ich war damals noch nicht inder Lage, Mooshums Geschichten als Auslegungen des traditionellen Präzedenzrechts zu begreifen.
    Also, wenn du irgendetwas hören solltest, Joe …
    Ja, ist klar, Dad. Er hatte es geschafft, meine Aufmerksamkeit zu fesseln. Und was er gesagt hatte, war sogar eine gewisse Erleichterung für mich. Aber mein Vater hatte auch unrecht, ganz besonders in einem Punkt. Er hatte gesagt, ich sei jetzt in Sicherheit, aber ich war Lark nicht wirklich entkommen. Und Cappy genauso wenig. Jede Nacht verfolgte er uns in unseren Träumen.
    * * *
    Wir sind wieder auf dem Golfplatz, in dem Moment, wo sich Larks und meine Blicke treffen. Dieser grauenvolle Blickkontakt. Dann der Schuss. In dem Moment vertauschen wir unsere Identitäten. Lark ist in meinem Körper und sieht mir zu. Ich bin in seinem Körper und sterbe. Cappy läuft mit Joe und dem Gewehr den Hügel hoch, und er weiß nicht, dass in Joe Larks Seele steckt. Ich liege sterbend auf dem Golfplatz und weiß, dass Lark Cappy töten wird, sobald sie den Ausguck erreichen. Ich versuche zu schreien und Cappy zu warnen, aber ich spüre, wie mein Leben aus mir herausblutet und in den gestutzten Rasen sickert.
    Entweder träume ich diesen Traum oder den anderen, wo ich wieder dem Geist aus dem Garten begegne. Demselben Geist, den Randall in seiner Schwitzhütte gesehen hat, mit dem verbitterten Blick und dem verkniffenen Mund. Nur dass er sich diesmal, wie Randall es gesehen hat, über mich beugt und durch einen Schleier der Dunkelheit im Gegenlicht, das sein weißes Haar erleuchtet, mit mir spricht. Und ich weiß, es ist ein Polizist.
    * * *
    Ich wachte wie immer davon auf, dass ich Cappys Namen schrie. Ich hatte, um das Geräusch zu dämpfen, ein Handtuch vor denTürspalt gestopft. Ich blinzelte in das frische Morgenlicht und hoffte, dass niemand mich gehört hatte. Es hörte sich an, als seien Mom und Dad schon unten oder schon außer Haus. Ich legte mich wieder hin. Es war kühl im Zimmer, aber ich schwitzte und war immer noch voller Adrenalin. Mein Herz klopfte. Ich rieb mir über die Brust, um es zu beruhigen, und versuchte meine Atmung in den Griff zu kriegen. Der Traum wurde mit jedem Mal realistischer, so als würde er in meinem Kopf einen Trampelpfad austreten.
    Ich brauche
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