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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagte Volkmar und lehnte sich zurück. Dann, als der Jeep zu fahren begann und bedrohlich wankte, hielt er sich an Annas Schenkel fest. Das bot sich so an. »Und der Motor ist eine Katastrophe! Da hackt ja jeder Zylinder …«
    »Aber die Berge hinauf fährt er noch!« Ernesto lachte laut. »Du wirst uns einen neuen, schönen Wagen kaufen, Enrico.«
    »Das wird ein Wunschtraum bleiben.«
    »Abwarten, camerata!«
    »Ich muß dir jetzt die Augen verbinden«, sagte Anna wenig später, als sie die Straße nach Cabras erreicht hatten. »Wenn du die Binde abreißt …«
    »Ich weiß, ich weiß, dann schießen deine Brüder. Bitte!«
    Er hielt den Kopf hin, sie verknotete hinter seinem Schädel eine breite, schwere Wollbinde und drückte ihn dann in den Sitz zurück. Sicherlich war es nur Zufall, daß irgend etwas seine Lippen berührte. Es war warm und weich.
    »Anna«, sagte Volkmar und tastete mit der rechten Hand ins Leere. Sie ergriff seine Hand, und an der Wärme, die seine sensiblen Chirurgenfinger plötzlich umfing, erkannte er, daß sie in Annas Schoß lagen. »Du bist eine – wie sagt man das italienisch – eine carogna! Ein Luder!«
    »Wir haben ein schönes Haus in den Bergen.« Sie streichelte seine Hand. »Es wird dir sicherlich bei uns gefallen. Hoffentlich müssen Luigi und Ernesto dich nicht erschießen.«
    Die Fahrt dauerte drei Stunden.
    Man fuhr durch Ortschaften, das hörte Volkmar am Klang der Reifen auf den Pflastern, dann wurden die Straßen enger und holpriger, man befand sich jetzt wohl in der Bergregion, wo es nur einen steinigen Pfad gab. Der Jeep keuchte und jammerte, die Zylinder stöhnten und stampften, der verrostete Auspuff dröhnte, als entlüfte er eine Flugzeugdüse.
    Ein paarmal hatte Volkmar versucht, mit Ernesto und Luigi ein Gespräch zu beginnen. Er wollte ihnen erklären, daß sie ihr Benzin verschwendeten; er sei keine kapitalkräftige Geisel. Aber die Brüder gaben keine Antwort. Volkmar mußte sich an Anna halten.
    »Einen Fehler macht jeder. Hör zu, Anna, und laß dir das erklären …«
    Sie legte ihm einen Zeigefinger auf die Lippen, und als er ihn küßte, drückte sie seine Hand fester in ihren Schoß.
    »Sei still!« sagte sie leise. »Versuch, etwas zu schlafen.«
    »Bei dem Lärm und dem Gehüpfe? Anna, es ist zu blöd, was ihr da macht!«
    Endlich hielt der Jeep. Das Verdeck wurde zurückgeklappt, Anna zog Volkmar vom Sitz und nahm ihm die Binde ab. Um ihn herum war eine Felslandschaft, und in die bizarr zerklüfteten, von Erosionen zerfressenen Felsen hatte man ein Haus gebaut, aus Urgestein, auf ein Plateau geklebt wie ein Adlerhorst. Ein kleiner Garten war da entstanden, wo bearbeitbarer Boden vorhanden war, eine offene Rinne aus Holz führte zu einem dumpf rauschenden Wasserfall, der aus einer Steilwand stürzte.
    Luigi und Ernesto kümmerten sich nicht um Volkmar. Sie stemmten die Motorhaube des Jeeps hoch und betrachteten stumm den dampfenden Motor.
    »Hier wohnen wir«, sagte Anna.
    »Sieben Kinder, Vater, Mutter, Nonna«, ergänzte Volkmar wie ein aufmerksamer Schüler.
    »Das war gelogen. Wir wohnen hier allein. Mama ist gestorben, Papa wurde bei einer Vendetta erschossen. Und noch zwei Brüder. Wir sind geflüchtet, nachdem Luigi und Ernesto die andere Familie ausgelöscht haben. Aber die Polizei, die verdammte Polizei!«
    Volkmar sah sich um. Am Tage mußte es hier wunderbar sein. Sicher ging der Blick in die Weite und schenkte dies Gefühl von absoluter Freiheit, das trunken machte. Aber Anna und ihre Brüder lebten hier als Banditen. Für sie war die Natur nur eine Festung.
    Luigi und Ernesto schienen sich einig zu sein, daß der Jeep weitere solcher Einsätze nicht mehr durchstehen würde. Sie hieben die Motorhaube zu und blickten Volkmar böse an, als sei er schuld. Ernesto entzündete eine Petroleumlampe, die auf einem Mäuerchen stand, und ging voraus zu dem wuchtigen Steinhaus mit dem Dach aus übereinandergeschichteten Felsplatten. Sie wußten, wie auch Volkmar selber, daß ihr Gefangener hier nicht weglaufen konnte. Sie legten die Maschinenpistolen ab und überließen es Anna, sich um den ›Gast‹ zu kümmern.
    »Hast du Hunger?« fragte sie. Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn wie einen Blinden zur Haustür. Luigi hatte drei Lampen angesteckt. Sie erhellten einen Raum mit geweißten Wänden, selbstgezimmerten Möbeln und einem riesigen gemauerten Ofen mit eiserner Herdplatte. Auch ein Grill fehlte nicht. Lammfelle lagen überall herum, auf
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