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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schlaftrunken fuhr er hoch und starrte auf den Zelteingang, der durch eine Plane mit breitem Reißverschluß geschlossen war.
    »Ist da jemand?« fragte er auf italienisch. »Es lohnt sich nicht zu stehlen.«
    »Signore –« Eine kleine, klägliche Mädchenstimme antwortete ihm. »Können Sie mir helfen. Bitte …«
    Ein Mädchen bat um Hilfe. Das genügte, um Dr. Volkmar sofort aus dem Bett springen zu lassen. Er schlüpfte in seine Trainingshose und riß den Reißverschluß auf. Mit der Taschenlampe leuchtete er unter den Vorbau des Zeltes. Auf einem der Klappstühle saß ein junges, zierliches Mädchen. Als der Lichtstrahl sie traf, leuchteten ihre Augen grün wie Katzenaugen. Ihr schwarzes Haar war zerwühlt, ihre Bluse an der Schulter aufgerissen, am linken Fuß fehlte der Schuh. Sie legte die Arme kreuzweise vor ihre Brüste und starrte Dr. Volkmar mit einem Blick an, in dem sich seltsame, kreatürliche Angst und kindliche Zutraulichkeit verrieten.
    »Was hat man mit Ihnen angestellt?« fragte Dr. Volkmar. Er drehte die Lampe etwas zur Seite, weil das Licht sie blendete. Sie begann zu zittern, senkte den Kopf und krallte die Finger in ihre Oberarme.
    »Es – es waren zwei«, sagte sie leise.
    Volkmar sparte sich die Frage, was die zwei wohl von ihr gewollt hatten. Die aufgerissene Bluse erklärte genug. Er war betroffen, daß hier in ›seinem‹ Paradies so etwas geschehen konnte. Er legte die Stablampe auf den Tisch, ging ins Zelt zurück und kam mit der Weinflasche wieder.
    Sie nickte ihm dankbar zu, nahm die Flasche mit ihren kleinen Händen und setzte sie an die Lippen. Gierig trank sie den Rest des Rotweins und stellte die Flasche auf den Tisch zurück. Dabei verschob sich die Taschenlampe; der Schein fiel jetzt voll auf ihren Unterkörper, auf die Wölbung ihres Leibes, die Oberschenkel, die sich durch das dünne Kleid drückten, die schlanken Beine mit dem nackten linken Fuß. Volkmar umfaßte das alles mit einem Blick und stellte fest: Sie hat nichts als das Kleid auf ihrem Körper.
    »Was machen Sie denn hier in der Gegend?« fragte er.
    »Wir waren tanzen.«
    »Hier? Wo denn? Um den Leuchtturm herum?«
    »In San Giovanni …«
    »Da kann man tanzen? Ich denke, da gibt es nur Fischerhütten.«
    »Und die Taverne von Giulmielmo.«
    »Und Sie sind von San Giovanni bis hierher gelaufen?«
    Sie blickte ihn mit großen Rehaugen an. Jetzt, wo sie die Arme hängen ließ, bemerkte er, daß sie schöne, volle Brüste hatte. »Sie wollten mich nach Hause bringen, nach Cabras. Aber sie fuhren zur Küste. Ich konnte doch nicht aus dem fahrenden Auto springen. Erst als sie hielten und mich aus dem Wagen zerrten, erst als sie …« Sie schluckte und senkte wieder den Kopf. »Ich habe mich losgerissen und bin gelaufen, gelaufen, immer geradeaus am Meer entlang … und dann sah ich Ihr Zelt, Signore …«
    »Enrico Volkmar!« sagte er. Er wählte die italienische Form von Heinrich. Heinz war für romanische Zungen ein zu barbarisches Wort.
    »Ich heiße Anna.« Ihre dunklen Augen leuchteten wieder grünlich im Widerschein des Lichtes, als sie ihn anblickte und ihre zerwühlten Haare nach hinten strich. Eine schöne hohe Stirn, dachte Volkmar. Aber irgend etwas ist hier faul! Normalerweise ist es nicht üblich, daß ein so junges, hübsches Mädchen allein zum Tanzen geht und dann noch nackt unter dem Kleid. Nicht einmal einen Slip hatte sie an …
    »Helfen Sie mir?« fragte Anna. Ihre Stimme konnte erstaunlich wechseln, vom Kindlichen zum Lauernden. Jetzt war sie wieder kindhaft klein. Ein Stimmchen, das zum beruhigenden Streicheln animierte.
    »Ist Ihnen nichts geschehen, Anna?« fragte Volkmar.
    »Sie haben es nicht geschafft, Enrico. Ich habe gebissen und getreten, bis ich weglaufen konnte.«
    »Und was kann ich für Sie tun?« Volkmar wies zum Zelt. »Wenn Sie wollen, trete ich Ihnen mein Klappbett ab. Ruhen Sie sich aus, schlafen Sie sich den Schrecken weg. Ich gebe Ihnen ein Medikament; Sie werden von blühenden Bäumen träumen. Ich lege mich mit einer Decke in mein Schlauchboot, es ist ja warm genug.«
    »Ich möchte nach Hause … wenn das möglich ist«, sagte Anna kläglich.
    »Nach Cabras?«
    »Ja.«
    »Jetzt?« Volkmar sah auf seine Armbanduhr. »Wir haben gleich ein Uhr nachts.«
    »Sie haben doch ein Auto, Enrico.«
    »Ich halte es für besser, wenn Sie hier übernachten. Und dann fahren wir am frühen Morgen, bei Licht, nach Cabras.«
    »Unmöglich! Jeder wird denken, ich hätte bei Ihnen
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