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Das Haus der Tibeterin

Titel: Das Haus der Tibeterin
Autoren: Federica Cesco
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Die geben dir Vitamine.«

    Ich öffnete die Augen und sah, wie sie die Weintrauben auf den Nachttisch stellte. Sie hatte das Obst sogar gewaschen.
    »Ja, Amla - Mutter. Und … danke für alles!«
    »Nichts zu danken«, erwiderte sie spröde.
    Ich fühlte mich müde, entsetzlich müde. Ich hörte kaum, wie sie in ihre Schuhe schlüpfte, ihre Einkaufstasche nahm und leise die Tür schloss. Ich war bereits wieder eingeschlafen.
    Als ich spätabends erwachte, war das Fieber gestiegen. Ich fühlte mich scheußlich.

ZWEITES KAPITEL
    A m Morgen ging es mir kaum besser. Ich schleppte mich ins Badezimmer, blickte mich trübselig im Spiegel an und wechselte den Schlafanzug. Ich zog die Wäsche aus dem Trockner, trank etwas Tee, aß einige Trauben. Das Essen stellte ich in den Kühlschrank. Dann kroch ich schlotternd wieder ins Bett und döste. Im Halbschlaf hörte ich, wie mein Handy klingelte. Halb benommen tastete ich nach dem Apparat.
    »Ja?«
    »Sasha hat mir erzählt, dass du krank bist«, sagte Felix. »Ich hoffe, nichts Schlimmes.«
    Sasha arbeitete mit mir im Architekturbüro. Zu der Zeit tüftelten wir beide am selben Bauplan. Er war mit Felix zur Schule gegangen, die Eltern waren Nachbarn. Es war Zufall, dass sich beide getroffen hatten, aber ich war froh, dass Felix anrief.
    »Nur Grippe.«
    »Deine Stimme klingt nicht gerade gut«, meinte Felix. »Hast du Fieber?«
    »Ich habe gerade gemessen. Fast 39 Grad.«
    »Um diese Zeit? Das gefällt mir nicht.«
    »Ich bleibe im Bett.«
    »Ja, du tust gut daran. In einer halben Stunde bin ich bei dir. Ich komme mit der Straßenbahn.«
    Felix und ich hatten einige Monate lang zusammengelebt; zwischen uns war sogar die Rede von Heiraten gewesen. Aber daraus wurde nichts. Wir stellten fest, dass wir nicht füreinander
bestimmt waren. Felix war ein freundlicher Mensch, vielleicht etwas schüchtern. Ich liebte ihn von ganzem Herzen, aber ich wusste auch, dass ich nicht das Gleiche empfand wie er, dass stärker als mein schlechtes Gewissen die Abneigung dagegen war, mit ihm zu schlafen.
    Es klingelte. Ich schlüpfte in meinen Bademantel und wankte zur Tür. Felix stand da, zeigte sein bezauberndes Lächeln, hielt mir eine kleine Tüte mit Trockenobst entgegen. Ananas, die ich am liebsten mochte.
    »Keine Schokolade«, sagte er. »Bei Fieber besser nicht.«
    Ich sah ihn an: das dichte, dunkelblonde Haar, die tiefblauen Augen. Das Gesicht schmal und klar, um den Mund zwei Falten. Er hatte früher im Krankenhaus gearbeitet; jetzt war er Arzt mit eigener Praxis, verdiente mehr Geld, aber schuftete bis zur Erschöpfung.
    Felix zog seinen Parka aus, folgte mir ins Schlafzimmer. Ich zeigte ihm das Fieberthermometer. Er schnalzte mit der Zunge, bevor er sich zu mir auf den Bettrand setzte. Er horchte auf meinen Puls, befühlte meine Halsdrüsen, ließ mich Aaaaah! sagen wie ein Kind. Schließlich nickte er.
    »Akut, aber nicht dramatisch. Bettwärme ist das Beste. Und viel trinken.«
    Er ging in die Küche und brachte mir ein Glas Wasser mit einer Tablette, die das Fieber senken sollte.
    »Dreimal am Tag unzerkaut schlucken. Hier, die Tabletten sind für dich.«
    Ich lächelte ihn etwas verzerrt an.
    »Ein Hausarzt ist einfach großartig.«
    »Für gewöhnlich stelle ich solche Besuche in Rechnung. Und du musst gut essen, ja? Du hast ja nichts zuzusetzen.«
    »Amla war hier und hat für zwei Tage gekocht.«
    Er nickte.
    »Ausgezeichnet.«
    Und dann, nach kurzer Stille: »Wie geht es ihr?«

    »Gut«, sagte ich. »Ihr geht es gut.«
    Wieder Stille. Felix stand auf, schob die Hände in die Hosentaschen und ging zum Fenster. Unsere Geschichte hatte sich in einer anderen Wohnung abgespielt, die größer war, ein altes Haus in Zürich-Stadelhofen, in das wir vielleicht auch eines Tages gezogen wären. Jetzt lebte ich allein in zwei Zimmern.
    Ich betrachtete seinen Rücken, der mir so vertraut war. Er war noch immer ein attraktiver Mann. Warum nur hatte ich plötzlich kein Verlangen mehr nach ihm gehabt? Das war einfach so gekommen und hatte zu den Dingen gehört, die ich nie wirklich bis auf den Grund verstehen konnte. Wir hatten zusammengelebt, aber vielleicht waren wir einander zu wenig ähnlich geworden, für ein Zweierdasein ungeeignet. Ich hatte getan, was ich tun zu müssen glaubte, auf anständige Weise. Es bestand kein Anlass, beleidigt zu sein.
    Felix stand immer noch in Gedanken versunken. Dann reckte er sich, dehnte die Arme und brach schließlich das Schweigen.
    »Deine Mutter
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