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Das Haus der Seelen: Roman (German Edition)

Das Haus der Seelen: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Seelen: Roman (German Edition)
Autoren: Simon R. Green
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aus und fühlt sich eigentlich viel eher wie der Angriff eines Tieres an.«
    JC nickte langsam. »Irgendeine Idee, was für ein Tier?«
    »Alt«, sagte Happy sofort. »Und wild. Wenn auch nicht ungezähmt, es standen Absicht und Zweck dahinter. Und – der Rausch lässt nach, und ich würde jetzt wirklich gern nach Hause gehen.«
    »Dein Metabolismus frisst diese Pillen bei lebendigem Leib«, merkte JC an. Er sah sich nachdenklich um. »Schlechte Orte machen Geister. Und das ist ein schlechter Ort. Das war er schon, als Albert Winter hier getötet wurde. Also, was macht diese Fabrikhalle zu einem bösen Ort? Es gibt keine Aufzeichnungen von einer Arbeitskatastrophe oder schlimmen Verlusten von Menschenleben, und ja, Melody, ich mache manchmal meine Hausaufgaben. Die eigentliche Frage ist, warum Albert Winter jetzt gestorben ist, wo doch dieser Ort zwar beunruhigend, aber eigentlich all die Jahre harmlos war?«
    »Still!«, sagte Kim plötzlich. »Hier ist noch jemand bei uns. Jemand Lebendiges.«
    »Ab in die Dunkelheit mit euch, Kinder«, sagte JC. »Lasst uns zusehen und lernen.«
    Sie verließen Melodys Arbeitsstation, um sich in die tiefsten Schatten der nächstbesten Wand zurückzuziehen. Zögernd traten ein alter Mann und eine junge Frau durch die offenen Tore und kamen langsam über den Fabrikboden der riesigen Halle. Der alte Mann trug eine altmodische Sturmlaterne vor sich her, die sanftgelb leuchtende Flamme verdrängte die Finsternis, die mittlerweile die ganze Halle erobert hatte. Sie bewegten sich stetig nach vorn, blieben dicht beisammen und sahen sich mit neugierigem Interesse um. Keiner von beiden schien besonders furchtsam oder eingeschüchtert zu sein.
    Der alte Mann ging gebückt, er war ein zerbrechlich aussehender, dunkelhäutiger Mann, der sicherlich schon weit in den Siebzigern war. Er trug eine verbeulte Jacke über einem schweren Pulli, fadenscheinige Jeans und ordentliche Schuhe. Seine Augen waren hell, sein Mund fest, aber sein faltiges Gesicht wirkte eingefallen und knochig. Sein Kopf war fast haarlos, mit Ausnahme von weißen Haarbüscheln über den Ohren. Sein Schritt war langsam, aber sicher, und er sah auf stille Weise entschlossen aus, als ob er mit einer ganz bestimmten Absicht in die verlassene Fabrik gekommen sei. Und trotz seines offensichtlichen Alters und seiner Zerbrechlichkeit hatte dieser Mann etwas an sich, das annehmen ließ, er habe harte Zeiten überlebt und könnte das immer noch, wenn es sein musste.
    Das Mädchen im Teenie-Alter an seiner Seite überragte ihn um einiges. Groß, schwarz und mit beachtlicher Oberweite hatte sie ein Gesicht mit starken Knochen, das beinahe mehr Charakter ausdrückte als gut für sie war. Oder irgendjemanden anders. Sie hielt sich mit trotzigem Stolz und Würde aufrecht und trug eine lange, gemusterte Robe über praktischen Sandalen. Ihr Haar war zu engen Zöpfen zurückgeflochten, die dicht am Kopf lagen. Sie ging wie ein Leibwächter neben dem alten Mann her, aber da war auch etwas Familiäres. Sie hielt sich ein Handy ans Ohr, dann schwenkte sie es herum, als suche sie nach einem Netz, bevor sie leidenschaftslos fluchte und es wegsteckte.
    Plötzlich hielt der alte Mann an. Das Mädchen blieb neben ihm stehen und sah sich schnell um. Der alte Mann hielt beide Hände hoch, bevor er mit fester, tiefer und weit tragender Stimme zu sprechen begann.
    »Ist irgendjemand hier? Haben Sie keine Angst, seien Sie nicht beunruhigt! Wir kommen, um mit dem zu reden, was hier noch ist, und um Hilfe anzubieten, wenn sie gebraucht wird. Bitte, kommen Sie vor und sprechen Sie mit uns. Wir haben keine Angst. Wir sind Freunde.«
    »Verdammt kalt ist es hier, Opa«, sagte das Mädchen. »Kalt und dunkel und absolut ungemütlich. Ich bin sicher, das ist alles ganz schlecht für mich. Ich wette, hier gibt’s Schimmel und alle möglichen Keime. Die warten nur darauf, dass ich sie einatme und sie in meinen Lungen Samba tanzen können. Du wirst hier keine Geister finden, Opa. Dieser Ort ist doch gar nicht alt genug dafür.«
    »Sei friedlich, Kind«, sagte der alte Mann. »Damit zeigst du nur deine Unwissenheit. Geister sammeln sich an den dunklen Orten dieser Welt, und das war schon seit Jahren ein übler Ort. Habe ich dir nicht die alten Geschichten erzählt, in denen …«
    »Ja, Opa, sehr oft. Aber das sind doch nur Geschichten. Etwas, das alte Männer erzählen, wenn sie beim Domino verlieren und ihre Gegner ablenken wollen.«
    »Geschichten haben Kraft,
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