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- Das Haus der kalten Herzen

- Das Haus der kalten Herzen

Titel: - Das Haus der kalten Herzen
Autoren: Sarah Singleton
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Jahre sie umtosten. Die Sommer kamen wie die Flut, die Erde wurde umgepflügt und erneuert. Und als das Lachen nachließ, lief sie wieder weiter, eingesponnen in die endlosen Gezeiten des Generationswechsels.
    Die Beschleunigung der Jahre nahm allmählich ab. Century ragte vor ihr auf. Mercy ging ums Haus herum und stieg die Stufen zum Rosengarten hinauf. Die Fenster waren leer und dunkel. Sie hüpfte über den Weg, jetzt hatte sie es eilig, sie wollte ihren Vater und ihre Schwester sehen. Wo waren sie? Der Galopp der Jahreszeiten ging in Schritt über und dann zuletzt, ganz allmählich, war ein normales Fortschreiten der Tage erreicht. Ungefähr zur Mittagszeit an einem sonnigen Januartag mit kalter Brise kam die Sonne über den Dächern zur Ruhe. Winzige grüne Spitzen bohrten sich durch die Erde. Mercy, an Kopf und Füßen unbedeckt, brannte immer noch, als ob ihr Herz ein Ofen wäre, der ihre Glieder mit Hitze versorgte.
    Sie rannte zur Vorderseite des Hauses.
    »Vater! Charity«, rief sie. »Seid ihr da? Aurelia? Wo seid ihr?«
    Die Eingangstüren waren geschlossen, aber sie hörte, wie sich das Schloss drehte. Die linke Tür ging auf. Aus dem dunklen Inneren des Hauses trat Charity nach draußen und blinzelte ins Sonnenlicht.
    »Mercy?«, sagte sie und legte ihre Hand schützend über die Augen. »Mercy, bist du das? Es ist so hell. Ich kann nichts sehen.«
    »Ich bin es«, sagte Mercy. Ihre Stimme war leise. Charity sah so zerbrechlich aus. Wie eine alte Frau in einem antiken Kinderkleid. Sie bewegte sich nicht einmal wie ein Kind. Mercy tat es im Herzen weh, sie zu sehen. Charity kam nach draußen, sie zog sich den Schal um die Schultern und wendete das Gesicht von der Sonne ab. Mercy trat näher und streckte die Hände aus.
    »Hast du meine Zeichnungen gefunden?«, sagte Charity. »Hat es funktioniert?« Mercy nahm ihre kleine Schwester in die Arme. »Natürlich«, sagte sie. »Sieh die Sonne! Kannst du sie denn nicht spüren? Unser Leben kann wieder beginnen.«
    »Ich bin ganz benommen«, sagte Charity. Vorsichtig lugte sie über Mercys Arm. »Alles ist so grün.« Sie blinzelte, ihre Augen tränten, während sie sich an das grelle Sonnenlicht gewöhnte.
    »Wie hast du es geschafft, du schlaues Mädchen?«, fragte Charity. »Wie hast du die Sonne zurückgeholt?«
    »Nicht nur die Sonne. Auch die Vergangenheit. Du kannst dich wieder erinnern. An unsere Mutter.«
    Charity trat einen Schritt zurück und runzelte die Stirn. »Kann ich das?«
    Sie schaute in eine unbestimmte Ferne, die ihre Schwester nicht sehen konnte. Es dauerte eine Weile. Mercy wartete, sie hielt immer noch Charitys Finger fest. Ein Rotkehlchen landete auf einem kahlen Zweig und fing an zu singen. Der Wind frischte auf und spielte mit den Strähnen von Mercys Haar.
    Dann lachte Charity und stellte sich gerade hin, die ganze Altfrauenhaftigkeit fiel von ihr ab. »Ja«, sagte sie. Ihre Augen leuchteten. »Ja, ich erinnere mich. Waren wir damals nicht glücklich? War das nicht schön?«
    »Es wird wieder schön werden. Wir können es schön machen«, sagte Mercy. »Wir sind frei. Der Frühling wird kommen und die Blumen und der Sommer.«
    »Mercy? Charity?« Galatea kam nach draußen. Ihre Miene war ängstlich. »Mädchen, was ist passiert? Mercy? Was hast du gemacht?«
    Aurelia war der Gouvernante gefolgt, sie trocknete sich die Hände an ihrer Schürze ab und ging auf die Mädchen zu, während sie Mercy von Kopf bis Fuß musterte.
    »Du bist gewachsen«, sagte sie. »Und Charity auch. Warum trägst du Charitys altes Kleid? Und warum bist du so schmutzig?«
    Dann prasselten die Fragen nicht mehr so schnell auf Mercy ein. Aurelias Miene wurde weich. Ihre Augen strahlten in einem seltsamen türkisblau, als ob ein Schleier von ihnen weggezogen worden wäre.
    »Du siehst so gesund und so gut aus«, sagte sie mit einem kleinen Schniefen. »Sogar in Lumpen. Mir kommt es vor, als hätte ich dich schon lange nicht mehr richtig gesehen. Was war das nur für ein seltsamer Tag.« Sie tätschelte Charity die Schulter und strich Mercy eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht. »Kommt rein und macht euch sauber«, sagte sie. »Ich werde eine Menge Wasser aufsetzen. Ihr könnt ein Bad nehmen.«
    Als sie über die Schwelle trat, schaute Charity über ihre Schulter zur Sonne, die auf den Park schien.
    Bei ihrem Gang durchs Haus liefen die Mädchen in jedes Zimmer, rissen die Läden auf und zogen die schweren Vorhänge zurück. Die Sonne schien zum ersten Mal
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