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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Wood
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dem meiner Ahnen liegt, und mein Blick war klar wie nie zuvor. Ich begriff, daß man mir ein Geschenk gemacht hatte.«
    »Die Chance auf ein zweites Leben«, sagte Charlotte ehrfürchtig.
    Aber das Geschenk war nicht die Chance auf ein zweites Leben. Es war die Chance, mein Unternehmen zu retten.
    »Ein verdammt übler Streich, den du uns da gespielt hast!« fuhr Desmond mich an. Er klang genau wie Adrian, obwohl sie nicht wirklich Vater und Sohn waren.
    Ich machte eine Pause, um in den Gesichtern um mich herum zu lesen, das Glück in einigen, den Zorn in anderen. Ich spürte den durchbohrenden Blick von Valerius Knight, einem intelligenten und entschlossenen Beamten, der die alte, weißhaarige, chinesische Dame in ihrem bescheidenen blauen Cheongsam mit wachsamem Ausdruck beobachtete. Ich sah seinen scharfen Augen an, daß er mich nicht unterschätzte, wie andere es vielleicht taten.
    »Ich mußte sichergehen, daß die Firma nach meinem Tod nicht gefährdet war. Also beauftragte ich Mr. Sung, der Familie mitzuteilen, ich sei gestorben. Es war nicht die Unwahrheit.« Ich wandte mich an Desmond. »Dir traute ich nicht. Von dem Tag an, als ich dir verriet, Iris sei deine Mutter, bemerkte ich eine Veränderung an dir. Sie kam über dich wie eine schleichende Krankheit, eine Blutvergiftung, die ein Glied des Körpers befällt. Etwas Böses hatte sich deiner bemächtigt, Desmond. Nachdem du nun wußtest, daß du mein Enkel warst, hast du erwartet, daß ich dir einen großen Anteil des Unternehmens hinterlassen würde. Aber das war unmöglich. Du hast kein Verantwortungsgefühl und liebst Harmony nicht so, wie Charlotte es tut. Wärst du bereit gewesen, die Macht mir ihr zu teilen, wenn ich dir eine erhebliche Beteiligung vererbt hätte? Ich bezweifle es.«
    »Du hast immer gedacht, du wüßtest alles«, sagte der unverschämte junge Mann zu mir.
    Also sagte ich ihm, was ich wußte. »Zum Glück erfreut sich Mr. Sung einer auf gegenseitigem Respekt gegründeten Beziehung zu einem Anwalt der Pharmaziewerke Synatech Corporation. Vielleicht ist dir das Unternehmen bekannt?«
    An seinen zusammengebissenen Zähnen erkannte ich, daß meine Vermutung zutraf. Mein Enkel wollte mein Lebenswerk an einen Konkurrenten verkaufen, der nur Interesse an dem Namen und den Laboratorien hatte. Synatech würde Goldlotuswein und Meiling-Balsam aus den Regalen der Drugstores verschwinden lassen und durch eigene Produkte ersetzen.
    »Aber wieso diese Scharade, Großmutter?« fragte jetzt Charlotte. »Warum hast du mich nicht einfach gewarnt? Du hättest mich ins Vertrauen ziehen können.«
    »Und welche Beweise hatte ich dafür, daß dir oder der Firma durch Desmond Gefahr drohte? Nichts als die Intuition einer alten Frau. Desmond hätte meinen Tod abgewartet, bevor er seinen habgierigen Plan ausführen würde, aber ich konnte nicht so lange warten. Außerdem war ich nicht sicher, daß die Gefahr von Desmond ausging. Ich traute Adrian und Margo ebenso wenig. Schließlich fürchtete ich auch, daß ein anderes Unternehmen wie zum Beispiel Mondstein einen Weg finden könnte, Harmony zu übernehmen. Kurz und gut, ich mußte Bescheid wissen. Wenn ich erst einmal nicht mehr da war und du allein wärest, würde ich dir nicht mehr helfen könnten. Also entschloß ich mich, tot zu bleiben und das Geschenk der Götter anzunehmen. Auf diese Weise konnte ich dir beistehen.«
    »Mit Mr. Sungs Unterstützung.« Charlotte nickte.
    »Es tut mir leid«, entschuldigte sich der alte Anwalt. »Es ist mir sehr schwergefallen. Aber ich hatte Ihrer Großmutter mein Wort gegeben.«
    »Was ist mit dem Sarg auf dem Friedhof von San Francisco?« Margo sah aus, als hätte sie gerade auf etwas Bitteres gebissen.
    »Er ist natürlich leer – ein Symbol meines noch nicht abgeschlossenen Todes.«
    »Jesus«, murmelte Adrian, marschierte zur Bar und griff nach einer Flasche Whisky. Er goß sich ein kleines Glas ein und kippte es hinunter, als würde er damit auf etwas zielen. Dann goß er ein zweites ein und wiederholte den Vorgang.
    »Es ist sechs Uhr morgens, Adrian«, bemerkte Margo trocken.
    »Na und? Ich komme hierher und sehe eine Tote, die herumläuft und Reden führt – eine Tote, verflucht noch mal, an deren Begräbnis ich teilgenommen habe …« Er verstummte, fing den Blick seiner Frau auf und stellte gehorsam das Glas hin. Ich kannte Margos Widerwillen gegen Alkohol und auch den Grund dafür. Gideon hatte mir erzählt, wie sie als Kind nachts schreiend
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