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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Wood
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wiederholte sie und blieb bei dem einen Wort hängen wie eine alte Grammophonplatte mit einem Kratzer. Sie umarmte mich. »Ich dachte, du wärst tot, und jetzt lebst du!« brachte sie endlich hervor. Ich fühlte ihre Tränen an meinem Hals und ihre Arme um meine Schultern. Wir hielten einander eng umschlungen.
    Adrian, der niemals gelernt hatte, taktvoll zu sein, platzte heraus: »Was zum Teufel soll das? Ich denke, du bist tot!«
    »Ist das verbindlich?« fragte ich und blickte mich in Desmonds Spielzimmer um, bei dem ich immer an ein Raumschiff denken mußte. »Habe ich gegen eine Anstandsregel verstoßen, Adrian?«
    »Harmonie«, bemerkte Margo, »was für eine angenehme Überraschung.« Sie war immer eine schlechte Lügnerin gewesen, aber ich glaube, das lag daran, daß sie nie die Absicht gehabt hatte, eine gute zu sein.
    Und dann stürzten sie alle gleichzeitig auf mich zu – die Polizisten, Desmond, seine Eltern, der Hausboy im weißen Jackett – und streckten die Hände nach mir aus wie nach dem Preis eines Wettrennens. »Großmutter – Mrs. Lee – Ma’am – Harmonie!« Sie nannten mich bei allen Namen, die ihnen einfielen, und balgten sich fast um die Ehre, mich zu einem Sitz zu geleiten. Sahen sie denn nicht, daß ich keine Invalidin war? Gut, ich war neunundachtzig – beziehungsweise, soweit sie wußten, einundneunzig –, aber ich hatte meinen Stock und Mr. Sungs hilfreichen Arm. Er führte mich zu einem Sofa, das in Wand und Fußboden eingebaut war und in dem man unmöglich sitzen konnte. Als ich mich mit Hilfe des afrikanischen Polizisten und Jonathan in die dickgepolsterten Kissen gleiten ließ, sagte ich zu Desmond: »Kein gutes feng shui. Man sollte nie tiefer sitzen als Kniehöhe.«
    Alle lachten – ein nervöses Lachen, denn wie scherzt man mit einem Geist? Sie nahmen ihre Plätze ein wie Schauspieler, die darauf warten, daß der Vorhang hochgeht. Mr. Knight, den mir Mr. Sung schon beschrieben hatte, schien gleichzeitig erfreut, zornig und verwirrt zu sein. Er lehnte an einer gläsernen Palme, in deren wassergefülltem rosa Stamm Blasen aufstiegen. Ich begegnete seinem Blick und erkannte die scharfe Intelligenz darin, einen Verstand, der rasch arbeitete, sortierte und Entscheidungen traf. Ich sah einen von seiner Rache besessenen Mann, der schon jetzt eine Vorstellung davon hatte, wie er die veränderte Situation seinem privaten Feldzug gegen die Arzneimittel, die seinen Sohn nicht gerettet hatten, anpassen konnte. Ich wußte, daß mein Unternehmen wie damals im Jahr 1936, als ich meinen Kampf mit Mr. Sungs Vater geführt hatte, Schlagzeilen machen würde.
    »Nun?« fragte Adrian mit seiner üblichen Grobheit. »Willst du uns nicht erzählen, was das Ganze soll?«
    Ich muß gestehen, daß ich mir nie etwas aus Adrian gemacht habe, obwohl er der Sohn meines geliebten Gideon ist. Er hat mehr von Olivia als von seinem Vater, und sie habe ich auch nie gemocht.
    Margo griff in ihre teure Krokohandtasche, nahm ein goldenes Zigarettenetui heraus und zündete sich, wie ich es bei Olivia so oft gesehen hatte, mit einem mit Feuerzeug mit Monogramm eine neue Zigarette an. »Erzähl schon«, sagte sie, nachdem sie inhaliert und den Rauch wieder ausgestoßen hatte. »Es ist bestimmt zum Brüllen.«
    »Großmutter.« Charlotte löste sich allmählich aus ihrer hölzernen Starre. »Du hast uns alle im Glauben gelassen, du seist tot. Ich habe noch nie erlebt, daß du gelogen hast.«
    »Das habe ich auch nicht. Ich bin wirklich gestorben.«
    Jemand gab ein leises Keuchen von sich. Es klang ungläubig.
    »Bei dem Sturm in der Karibik ging ich über Bord. Man konnte mich herausziehen, aber ich starb auf dem Schiff. Man hat mir gesagt, daß kein Leben mehr in mir war, als man mich auf den Strand trug. Aber da war jemand, der Luft in meine Lungen blies. Ich weiß nicht, wer es war, aber er hatte Achtung vor dem Leben und war ein Mann des Glaubens, denn obwohl ich tot war, brachte sein Atem mich von den Toten zurück. Ich hustete das Wasser aus meinen Lungen, und die Inselbewohner schafften mich in ein Krankenhaus.«
    Nie in all meinen Jahren hatte ich solch eine Stille wie die in Desmonds Raumschiff erlebt.
    »Ich war sehr krank. Eine alte Frau, die ertrinkt, kann sich nicht leicht erholen. Aber die Inselbewohner pflegten mich gut. Sie gaben mir besondere Kräuter, vielleicht sogar das Kraut, das ich dort ursprünglich gesucht hatte. Ich weilte im Reich des Zwielichts, das zwischen diesem Leben und
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