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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac
Autoren: Mary Higgins Clark
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ihrem Vater vorbeigerauscht, das
Gesicht gramzerfurcht und wutentstellt.
»Du sollst nicht ›Renée‹ zu mir sagen – und Daddy nicht
›Billy‹ nennen.«
Dean Wilson Adams. Ihr Vater war Billy – nicht Willard
Jennings!
Der Brief! Sie hatte ihn an dem Tag auf dem Boden in
der Bibliothek gefunden, als sie die persönlichen Papiere
ihres Vaters vor Toby hatte verstecken wollen. Der Brief
mußte aus seinen Unterlagen herausgefallen sein, nicht aus
Abigails. Abigail war damals in dieser Nacht dagewesen.
Sie und Dean Adams – Billy Adams – hatten ein
Verhältnis miteinander gehabt. Hatte sie den tödlichen
Streit ausgelöst?
Ein kleines Mädchen, zusammengekauert in seinem
Bett, die Hände über den Ohren, um nicht die zornerregten
Stimmen zu hören.
Der Schuß.
»Daddy! Daddy!«
Ein zweiter lauter Knall.
Und dann bin ich hinuntergerannt, bin über den Körper
meiner Mutter gestolpert. Da war noch jemand im Zimmer
gewesen. Abigail? Oh, Gott, war Abigail Jennings
vielleicht da, als ich hereinkam?
Da war die Terrassentür aufgegangen.
Das Telefon begann zu läuten, und im selben Moment
ging die Deckenbeleuchtung aus. Pat sprang auf und
wirbelte herum. Im flackernden Licht der
Weihnachtsbeleuchtung kam eine riesige, dürre
Mönchsgestalt mit leerem Gesicht auf sie zu; es war ein
faltenloses Gesicht unter silberweißem Haar, das über
porzellanblaue Augen fiel.
    Toby fuhr Richtung Georgetown und bemühte sich dabei,
nicht die erlaubte Geschwindigkeit zu überschreiten. Er
konnte an diesem Abend kein Strafmandat gebrauchen. Er
hatte abgewartet, bis die Sendung angelaufen war, bevor
er losfuhr. Er wußte, daß Abby für die nächste halbe
Stunde wie angenagelt vor dem Fernseher sitzen würde.
Wenn sie ihn im Anschluß an die Sendung anrief, konnte
er immer noch sagen, daß er gerade draußen war und sich
um den Wagen gekümmert hatte.
    Pat Traymore war ihm von Anfang an merkwürdig
vertraut vorgekommen. Als er vor Jahren gelesen hatte,
daß Kerry Adams »ihren Verletzungen erlegen« wäre,
hatte er keine Träne vergossen. Zwar wäre die Aussage
einer Dreijährigen vor Gericht nicht stichhaltig gewesen,
aber trotzdem, die Art von Ärger hätte er auch nicht
gebrauchen können.
    Abby hatte recht gehabt. Pat Traymore hatte es von
Anfang an darauf angelegt, ihnen die Daumenschrauben
anzulegen. Aber sie würde damit nicht durchkommen.
    Er war jetzt auf der M Street in Georgetown, bog in die
31st Street ab, fuhr bis zur N Street und dann rechts
herum. Er wußte, wo er das Auto parken würde. So, wie er
es schon einmal gemacht hatte.
    Die rechte Seite des Grundstücks erstreckte sich über
einen halben Block. Er ließ das Auto direkt hinter der
nächsten Ecke stehen, ging zu Fuß zurück, kümmerte sich
gar nicht erst um das mit einem Vorhängeschloß
verriegelte Tor, sondern kletterte leichtfüßig über den
Zaun. Leise tauchte er in dem schattigen Dunkel hinter der
Terrasse unter.
    Es war unmöglich, nicht an diese Nacht damals
zurückzudenken – wie er Abby herausgezerrt und ihr die
Hand auf den Mund gepreßt hatte, damit sie nicht schreien
konnte. Wie er sie im Auto auf den Rücksitz gelegt und sie
voller Angst gemurmelt hatte: »Meine Tasche ist noch
drin.« Und wie er noch einmal zurückgegangen war.
    Toby schlich sich im Schutz der Bäume voran, preßte
sich an der Rückwand des Hauses entlang, bis er auf der
Terrasse und nur wenige Zentimeter von der Tür entfernt
war. Er wandte den Kopf um, blickte vorsichtig hinein.
    Ihm stockte das Blut in den Adern. Pat Traymore lag, die
Arme und Beine auf dem Rücken gefesselt, auf der Couch.
Der Mund war zugeklebt. Neben ihr kniete, den Rücken
der Tür zugekehrt, ein Priester oder Mönch und zündete
die Kerzen in einem silbernen Kandelaber an. Was, zum
Teufel, hatte er vor? Der Mann drehte sich um, und Toby
konnte ihn besser sehen. Das war kein echter Priester. Das
war keine Mönchskutte – sondern nur irgendein seltsames
Gewand. Der Ausdruck in seinem Gesicht erinnerte Toby
an einen Nachbarn, der vor Jahren durchgedreht war.
    Der Kerl schrie Pat Traymore an. Toby konnte seine
Worte nur mit Mühe verstehen. »Sie haben meine
Warnungen außer Acht gelassen. Die Wahl lag bei Ihnen.«
    Warnungen. Und sie hatten gedacht, Pat Traymore hätte
diese Sache mit den Anrufen und dem Einbruch erfunden.
Aber wenn sie es nicht hatte … Während Toby noch
zusah, trug der Mann den Kandelaber zum
Weihnachtsbaum hinüber
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