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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
Autoren: Monica McInerney
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saß. Doch beim Anblick dieses toten Fuchses überfiel mich eine Traurigkeit, wie ich es noch nie erlebt hatte.
    »Du armer Kleiner«, flüsterte ich ihm zu. »Das ist hier nichts für dich.«
    Ich wickelte den Babyfuchs in eine Stoffbahn, die auf dem Boden lag, ein Vorhang oder ein altes Tuch, und klemmte mir das Bündel unter den Arm. Ich kann nicht mehr sagen, was ich damit vorhatte, oder wie ich damit unbemerkt aus dem Haus schlüpfen wollte. Es war Sommer, ich hatte lediglich ein dünnes Kleidchen an und keinen Mantel, unter dem sich etwas verbergen ließ. Aber ich weiß noch, in mir hatte sich der Beschützerinstinkt geregt, gepaart mit einer großen Traurigkeit. Ich hatte eine Mission. Ich war Ella Fox, ich musste den Fuchs retten.
    Als ich die Treppe hinunterkam, hörte ich laute Stimmen, zuerst meine Mutter, dann meinen Vater, der sagte, sie möge sich bitte um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Dann erwiderte Lucas etwas, was ich nicht verstand, dann sprach meine Mutter wieder. Ich hatte gedacht, das wäre ein Freundschaftsbesuch. Vielleicht hatte er ja freundschaftlich begonnen. Trotzdem blieb ich nicht, wie sonst zu Hause, stehen, um zu lauschen. Ich schlüpfte durch die Haustür. Ich hatte bestimmt nicht vorgehabt wegzulaufen. Das wohl nicht. Ich wollte nur, dass der Fuchs ein wenig frische Luft, ein wenig Freiheit schnuppern konnte.
    Doch das ahnte Onkel Lucas nicht, als er aus dem Fenster sah. Er sah nur, dass seine siebenjährige Nichte mit einem Stoffbündel, aus dem ein Fuchsschwanz hervorschaute, die Außentreppe hinunterging.
    Hinterher, sagte Mum, hätten sie darüber sehr gelacht. »Du hast eindeutig die Stimmung aufgelockert, Ella.«
    Ich hatte schon die unterste Stufe erreicht, da erschien Lucas an der Haustür. »Ella?« Beim Klang seiner tiefen, ruhigen Stimme blieb ich stehen. »Stiehlst du etwa meinen Fuchs?«
    »Nein, nicht wirklich«, wiederholte ich unbewusst seine Worte.
    »Nicht? Was denn wirklich?«
    »Er war da oben so einsam. Ich wollte nur mit ihm spazieren gehen.«
    Dann erschien mein Vater. »Er ist tot, Ella. Das ist ein ausgestopfter, toter Fuchs.«
    »Aber er war so einsam«, wiederholte ich.
    »Rein, Ella. Sofort«, sagte meine Mutter, die an Lucas’ anderer Seite erschien. »Und gib Lucas seinen Fuchs zurück.«
    Das war alles. Niemand schimpfte. Aus heutiger Sicht vermute ich, dass es sie zurück zu ihrem Streit zog. Ich brachte den Fuchs wieder an seinen Platz und streichelte ihn zum Abschied. Ich wollte gerade seine kleine Schnauze küssen, da blitzten die winzigen, scharfen Zähne auf. Der kleine Fuchs tat mir zwar noch immer leid, aber nun wurde er mir auch ein wenig unheimlich.
    Bald darauf verabschiedeten wir uns von Onkel Lucas.
    »Na, das war reine Zeitverschwendung«, stellte meine Mutter fest, als das Taxi losfuhr.
    »Was war reine Zeitverschwendung?«, fragte ich.
    »Nichts«, erwiderten meine Eltern einhellig.
    Ich verstand nicht, wieso der Besuch bei Lucas Zeitverschwendung war. »Ich mag ihn«, protestierte ich und drehte mich zum Fenster, zu den Torten-Häusern auf der einen und dem großen Park auf der anderen Seite. »Ihn und seine Füchse.«
    Einen Monat später, wieder in Australien, erhielt ich ein Päckchen, mit Poststempel Paddington, London. Im Innern lag ein Brief, der sogar eine Fußnote hatte.
    Meine liebe KFR*,
    es tut mir wirklich leid, dass ich Dir meinen Fuchs nicht geben konnte. Er ist mir sehr teuer. Ich hoffe jedoch, dass Du auch an diesem kleinen Freund Vergnügen findest. Außerdem lässt er sich leichter aus Häusern schmuggeln.
    Alles Liebe von Deinem Londoner Onkel Lucas
    *kleine Fuchs-Retterin
    In dem Umschlag lag ein winziger goldener Fuchs an einem Schlüsselring, nur wenige Zentimeter lang, aber wunderschön, bis ins Fell, bis in alle Einzelheiten ausgearbeitet. Ich nannte ihn Foxy. Foxy, den Fuchs. Anfangs trug ich ihn als Talisman bei mir und flüsterte mit ihm, wenn ich traurig war oder Mum mit mir geschimpft hatte. Als ich alt genug für einen eigenen Schlüssel wurde, kam er seiner eigentlichen Bestimmung nach. Er hatte seither an vielen Schlüsseln zu vielen Häusern gehangen, an vielen Orten in Australien, in London und in Bath. Vor etwa zwei Jahren aber hatte ich ihn in Canberra liegen lassen. Ich hatte ihn mit den Wohnungsschlüsseln auf den Küchentisch gelegt, zusammen mit meinem Abschiedsbrief an Aidan …
    Stopp!
    Denk an etwas anderes.
    Sieh nach vorn.
    Das sagte sich so leicht. In den vergangenen zwanzig
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